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  • 31.10.2025 · IWW-Abrufnummer 250983

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 10.06.2025 – 13 K 157/24

    1. Prozesskosten sind gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abzugsfähig, wenn sie dazu dienen, das Wegbrechen der Erwerbs- oder Einkommensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verhindern.

    2. Für die Beurteilung, ob eine Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage besteht, ist die Einkommens- und Vermögenssituation des Steuerpflichtigen im Jahr des Abflusses der Prozesskosten maßgeblich. Die bloße Befürchtung, dass sich die Einkommens- und Vermögenssituation in Zukunft verschlechtern werde, reicht nicht aus.

    3. Der angestrengte Prozess muss dazu dienen, die Ursache der drohenden Existenznot zu beseitigen. Prozesse, die lediglich aus Anlass einer drohenden Existenznot, aber ohne inneren Zusammenhang mit der Ursache für den Wegfall der Lebensgrundlagen geführt werden, sind nicht durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG begünstigt.

    4. Entstehen die Prozesskosten, weil durch den Prozess das Vermögen des Steuerpflichtigen vermehrt werden soll, sind die Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.


    Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 10.06.2025, Az. 13 K 157/24

    Tatbestand

    Streitig ist die Anerkennung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen.

    Der ledige Kläger (geboren am xx.xx.1985) erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Betriebswirt.

    Das Arbeitsverhältnis wurde von seinem Arbeitgeber mit Schreiben vom 23. September 2022 zum 31. Oktober 2022 gekündigt.

    In einem von dem Kläger angestrengten Kündigungsschutzprozess schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht O am xx. März 2023 einen Vergleich. Danach endete das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Ablauf des 31. Oktober 2022. Die Parteien vereinbarten eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 30.000 € brutto und zur Abgeltung des Urlaubsanspruchs in Höhe von 2.531,08 € brutto.

    Seit dem 19. September 2022 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeitsunfähigkeit dauert bis heute an.

    Der Kläger erhielt im Streitjahr 2023 aus einem privat abgeschlossenen Versicherungsvertrag ("AB") eine monatliche Arbeitsunfähigkeitsrente in Höhe von 2.753,91 €. Nach dem Schreiben des Versicherungsunternehmens vom 1. Februar 2023 wurden die Leistungen "unter dem Vorbehalt der Rechtswirksamkeit des Vertrags" ab dem 1. Oktober 2022 erbracht.

    Außerdem bezog der Kläger im Streitjahr 2023 ununterbrochen Krankengeld in Höhe von ca. 2.900 € monatlich. Seit Mitte März 2024 erhielt der Kläger Leistungen nach dem ALG I in Höhe von 2.372,40 € monatlich.

    Im Streitjahr 2023 verklagte der Kläger mehrere Anbieter von Online-Glückspielen auf Rückzahlung der von dem Kläger in der Vergangenheit verspielten Einsätze. Begründet wurden die Klagen damit, dass die angebotenen Online-Glückspiele in dem Zeitraum, in dem der Kläger die Dienste der Glückspielanbieter in Anspruch genommen hatte, gesetzlich verboten waren. Die Klagen waren in erster Instanz vollumfänglich erfolgreich:

    1. Mit Urteil vom xx. Oktober 2023 verurteilte das Landgericht P die T Ltd. mit Sitz in Malta (Online-Plattform "P1") dazu, an den Kläger zusammengefasst 53.795,63 € nebst Zinsen zu zahlen (Az. xx). Die Beklagte hatte außerdem die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Die Entscheidung betraf Einzahlungen des Klägers, die dieser in dem Zeitraum zwischen dem 2. Januar 2013 bis zum 5. Januar 2018 bei dem beklagten Glückspielanbieter getätigt hatte. Das Landgericht P sah den Glückspielvertrag zwischen dem Anbieter und dem Kläger als nichtig an, weil der Vertrag gegen § 4 Abs. 4 des Glückspielstaatsvertrag Niedersachsen verstoßen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 83 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

    Das Urteil ist rechtskräftig. Der Kläger hat die Zwangsvollstreckung über das Amtsgericht N (Az. xx) eingeleitet.

    2. Mit Versäumnisurteil vom xx. März 2024 verurteilte das Landgericht P die R N.V. mit Sitz in Curacao (Online Plattform "P2") dazu, an den Kläger 10.704 € nebst Zinsen zu zahlen (Az. xx). Außerdem hatte die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Die Entscheidung betraf Einzahlungen des Klägers, die dieser in dem Zeitraum zwischen dem 21. Dezember 2021 und dem 19. Oktober 2022 bei dem beklagten Glückspielanbieter geleistet hatte. Das Gericht stellte wiederum auf § 4 Abs. 4 Glückspielstaatsvertrag Niedersachsen ab. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 98 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

    Gegen das Versäumnisurteil wurde Einspruch eingelegt. Das Verfahren wird wegen eines Insolvenzantrags für das Vermögen des beklagten Glückspielanbieters momentan nicht fortgeführt.

    3. Mit Urteil vom xx. Juni 2024 verurteilte das Landgericht P die T Ltd. mit Sitz in Malta (Online S) dazu, an den Kläger 50.083,23 € nebst Zinsen zu zahlen (Az. xx). Die Beklagte hatte auch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Der Entscheidung lagen Einzahlungen des Klägers vom 23. Oktober 2015 bis zum 28. März 2021 bei dem beklagten Glückspielanbieter zugrunde. Das Gericht nahm die Nichtigkeit des Glückspielvertrags wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 des Glückspielstaatsvertrags an. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 111 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

    Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der beklagte Glückspielanbieter hat Berufung beim Oberlandesgericht A eingelegt (Az. xx). Das Berufungsverfahren ist momentan ausgesetzt.

    4. Mit Urteil vom xx. Juni 2024 verurteilte das Landgericht P die E Ltd mit Sitz in Gibraltar (Online "B") dazu, an den Kläger 22.712,00 € nebst Zinsen zu zahlen (Az. xx). Die Beklagte hatte außerdem die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Die Entscheidung befasste sich mit Einzahlungen des Klägers vom 12. Februar 2020 bis zum 1. August 2020 bei dem beklagten Glückspielanbieter. Das Gericht erkannte auf Rückzahlung der erbrachten Einzahlungen, weil der Vertrag wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 des Glückspielstaatsvertrags nichtig sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 101 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

    Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der beklagte Glückspielanbieter hat Berufung beim Oberlandesgericht A eingelegt (Az. xx). Das Berufungsverfahren wird momentan nicht gefördert.

    Dem Kläger entstanden für diese Klageverfahren folgende Anwalts- und Gerichtskosten:



    Gebührenrechnung X Rechtsanwälte vom 7. Februar 2023 Klage gegen T Ltd. (P1)    2.147,83 €
    Gerichtskostenvorschuss für die Klage gegen T Ltd. des Landgerichts P vom 14. Februar 2023, Aktenzeichen: xx    2.199,00 €
    Gebührenrechnung X Rechtsanwälte vom 26. Oktober 2023 Klage gegen T Ltd. (P1)    1.960,64 €
    Gebührenrechnung X Rechtsanwälte vom 7. Februar 2023 Klage gegen T Ltd.    1.501,19 €
    Gerichtskostenvorschuss für die Klage gegen T Ltd. des Landgerichts P vom 13. Februar 2023, Aktenzeichen: xx    1.347,00 €
    Weiterer Gerichtskostenvorschuss für die Klage gegen T Ltd. des Landgerichts P vom 21. Juli 2023, Aktenzeichen: xx    852,00 €
    Gebührenrechnung X Rechtsanwälte vom 24. Mai 2023 Klage gegen E Ltd. (B)    1.375,88 €
    Gerichtskostenvorschuss für die Klage gegen E Ltd. des Landgerichts P vom 22. Juni 2023, Aktenzeichen: xx    1.233,00 €
    Gebührenrechnung X Rechtsanwälte vom 28. September 2023 Klage gegen R NV    1.054,10 €
    Gerichtskostenvorschuss für die Klage gegen R NV des Landgerichts P vom 18. Oktober 2023, Aktenzeichen: xx    885,00 €
    ______________
    Gesamtsumme    14.555,64 €
    Der Kläger legte diverse Zahlungsnachweise vor, aus denen sich ergibt, dass er im Streitjahr 2023 die Anwalts- und Gerichtskosten in der Gesamtsumme von 14.555,64 € beglichen hat.

    Die Aufwendungen wurden dem Kläger bislang weder von den verurteilten Glückspielanbietern noch von einer dritten Seite erstattet. Es wurde auch von keiner dritten Seite in Aussicht gestellt, die Aufwendungen zu erstatten.

    Steuerlich betrugen die dem Kläger im Streitjahr 2023 zugeflossenen Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit noch 32.531 €. Sie umfassten die Abfindung und die Abgeltung des Urlaubsanspruchs (30.000 € zzgl. 2.531 € = 32.531 €). Nach Abzug der Werbungskosten, die im Einspruchsverfahren auf 2.828 € erhöht wurden, verblieben Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 29.593 €.

    Außerdem wurden im Streitjahr 2023 nur noch sonstige Einkünfte in Form der Rente erfasst. Die Gesamthöhe der Rente betrug 41.467 €. Der Ertragsanteil belief sich auf 12.440 € (30%). Nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags in Höhe von 102 € ergaben sich sonstige Einkünfte in Höhe von 12.338 €.

    In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2023 machte der Kläger neben den schon bezeichneten Anwalts- und Gerichtskosten auch noch folgende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen geltend:

    Fahrt- und Behandlungskosten Physiotherapie    683 €
    Fahrtkosten Dr. H    125 €
    Fahrtkosten Dr. M    74 €
    Fahrt- und Behandlungskosten K Akustiker    63 €
    Fahrtkosten Dr. S    55 €
    Fahrtkosten Dr. L    66 €
    Fahrtkosten B-klinik Reha    126 €
    Fahrtkosten Dipl.-Psychologin N    31 €
    Fahrtkosten Dr. K    21 €
    Fahrtkosten Zahnarzt P    27 €
    Mehrkosten Zahnarzt P    50 €
    Mehrkosten Hörgeräte    20 €
    ______________
    Zwischensumme    1.341 €
    Anwalts- und Gerichtskosten    14.550 €
    ______________
    Gesamtsumme    15.891 €
    In dem Einkommensteuerbescheid 2023 vom xx. Juli 2024 versagte der Beklagte die Anerkennung der Anwalts- und Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastungen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Prozesskosten nach der Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht zwangsläufig seien. Die verbliebenen Krankheitskosten in Höhe von 1.341 € überschritten die zumutbare Belastung nicht. Deshalb wirkten sich die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen insgesamt nicht aus.

    Im Einspruchsverfahren führte der Kläger aus, dass die Anwalts- und Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig seien, weil die materielle Existenzgrundlage des Klägers ohne die angestrengten Prozesse gefährdet gewesen sei und er seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr werde befriedigen können. Es handele sich bei den Rechtsstreitigkeiten um Vermögensschäden, die dem Kläger zugefügt worden seien. Um die Zahlungen an die beklagten Unternehmen leisten zu können, habe der Kläger im Laufe der letzten 10 Jahre erhebliche Kreditverbindlichkeiten aufgenommen. Der Kläger legte folgende Saldenbestätigungen vor:


    Datum    Bank    Konto    Saldo
    31.01.2023    A AG    DE xx    -35.424,43 €
    31.01.2023    B AG    DE xx    -1.451,99 €
    31.01.2023    B AG    DE xx    -6.781,91 €
    31.01.2023    B AG    DE xx    -8.115,63 €
    ______________
    Summe der Salden    - 51.773,96 €
    Bis September 2022 (Kündigung des Arbeitsverhältnisses) habe der Kläger die Kreditraten problemlos durch sein regelmäßiges Einkommen abdecken können. Seit der Kündigung sei der Kläger durchgehend arbeitsunfähig. Der Kläger könne voraussichtlich nie wieder in dem bisher ausgeübten Beruf arbeiten. Er werde deshalb kein Einkommen mehr erzielen, das ihm erlaube, die laufenden Kreditraten zu begleichen. Er sei seit März 2024 aus dem Krankengeldbezug ausgesteuert. Er beziehe nur noch ALG I Leistungen. Er habe kein Vermögen, mit dem er die Verbindlichkeiten ablösen könne.

    Die Überschuldung und die kritische berufliche Perspektive infolge der Erkrankung hätten den Kläger dazu veranlasst, die Rechtsstreitigkeiten gegen die Glückspielanbieter einzuleiten. Es habe sich um die einzige Möglichkeit gehandelt, die bestehenden Kreditverbindlichkeiten abzulösen. Deshalb seien die Rechtsstreitigkeiten unumgänglich - und damit zwangsläufig - um die materielle Existenzgrundlage des Klägers zu erhalten.

    Mit Einspruchsentscheidung vom xx. November 2024 wurde die Einkommensteuer 2023 wegen anderer - hier nicht mehr streitiger - Punkte herabgesetzt und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Die Prozesskosten seien gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Nach dem Urteil des BFH vom 18. Mai 2017 (VI R 9/16) sei als Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen der Betrieb, der Beruf und die daraus erzielten Einkünfte anzusehen. Deshalb müsse ein Prozess, wenn die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden sollten, Auswirkungen auf die zukünftige berufliche Situation des Steuerpflichtigen bzw. auf die daraus erzielten Einkünfte haben. Deshalb verweigere der BFH unter Rz. 38 des zitierten Urteils den Abzug von Scheidungskosten mit der Begründung, dass der Steuerpflichtige nicht Gefahr laufe, seine berufliche Existenzgrundlage zu verlieren.

    Die angestrengten Gerichtsverfahren würden Vermögensschäden betreffen, die der Kläger durch frühere Zahlungen erlitten habe. Diese Vermögensschäden würden in keinem Zusammenhang mit den Einkünften des Klägers stehen. Das Prozessergebnis wirke sich nicht auf die Höhe der zukünftigen Einkünfte des Klägers aus. Der Kläger beziehe seit 2023 Renteneinkünfte und Lohnersatzleistungen (Krankengeld, Übergangsgeld und Arbeitslosengeld). Diese Einkünfte erhalte der Kläger sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach auch in Zukunft und zwar unabhängig von dem Ausgang der Prozesse.

    Der Arbeitsplatz sei nach den Angaben des Klägers im Jahr 2022 wegen einer Erkrankung verloren gegangen. Es bestehe kein Zusammenhang mit den Gerichtsprozessen gegen die Glücksspiel- bzw. Wettanbieter. Mit den Prozessen werde nicht die Wiedererlangung des Arbeitsplatzes oder eines anderen Arbeitsverhältnisses angestrebt. Wegen des fehlenden Zusammenhangs mit den Einkünften des Klägers gehe es bei den Prozessen nicht um die Existenzgrundlage des Klägers.

    In dem Einspruchsbescheid legte der Beklagte einen Gesamtbetrag der Einkünfte für das Jahr 2023 in Höhe von 41.931 € zugrunde. Das zu versteuernde Einkommen betrug nach Durchführung des Einspruchsverfahrens 41.333 €. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug 11.144 €.

    Mit am xx. November 2024 eingegangener Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

    Entscheidend sei, dass die Prozesse notwendig gewesen seien, um die materielle Existenzgrundlage des Klägers zu erhalten. Der seit dem 19. September 2022 durchgängig arbeitsunfähige Kläger benötige die Rückzahlungen der Glückspielanbieter dringend, um die wegen des Glücksspiels aufgenommenen Darlehen zurückzahlen zu können. Die Darlehenshöhen seien existenzgefährdend.

    Hinsichtlich der Darlehenshöhen werde auf die eingereichten Unterlagen verwiesen. Der Saldo des Kreditkartenkontos bei der C Bank sei ebenfalls mit ungefähr 7.000 € negativ gewesen. Außerdem habe der Kläger noch einen KfW-Kredit zu bedienen gehabt, der zum 31. Januar 2023 einen negativen Saldo von ungefähr 7.200 € aufgewiesen habe. Das Girokonto bei der O Bank habe am 31. Januar 2023 ungefähr bei 1.100 € im Minus gestanden. Das Girokonto bei der V Bank habe einen negativen Saldo von ungefähr 2.000 € gehabt.

    Gegenüber den Glücksspielanbietern seien folgende Summen eingeklagt worden:

    T Ltd. - Urteil vom xx.10.2023    53.795,63 €
    T Ltd. - Urteil vom xx.06.2024    50.083,23 €
    E Ltd. - Urteil vom xx.06.2024    22.712,00 €
    R NV - Urteil vom xx.04.2024    10.704,00 €
    ______________
    Summe    137.294,86 €
    Keiner der Anbieter habe bislang bezahlt.

    Die Raten, die für sämtliche Darlehen monatlich fällig werden würden, hätten zum 31. Januar 2023 einen Betrag in Höhe von 1.156,94 € monatlich ausgemacht. Hinzu komme noch die Ablösung eines Dispokredits in Höhe von monatlich 100 €, sodass die monatliche Gesamtbelastung bei 1.256,94 € gelegen habe.

    Die Lebenshaltungskosten des Klägers hätten bei ca. 1.800,00 € monatlich gelegen.

    Die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Versicherung "AB" seien auf 24 Monate beschränkt gewesen. Die Auszahlungen der Leistungen seien stets "unter Vorbehalt" erfolgt. Die Rechtswirksamkeit des Vertrags sei über 12 Monate lang geprüft und erst im Jahr 2024 bestätigt worden. Eine rechtssichere und unbeschränkte Nutzung der Leistungen sei im Jahr 2023 nicht möglich gewesen.

    Dem Kläger sei im Jahr 2023 klargeworden, dass er wegen der fortdauernden Krankheit spätestens im März 2025 nur noch Bürgergeld beziehen werde und dass er seine Verbindlichkeiten dann nicht mehr werde zurückzahlen können. Deshalb sei die materielle Existenzgrundlage stark gefährdet gewesen, sodass der Kläger beschlossen habe, die Klagen einzureichen. Geplant gewesen sei, mit den eingeklagten Beträgen die aufgenommenen Darlehen abzulösen, um keine Privatinsolvenz anmelden zu müssen.

    Der Kläger legte zum Nachweis seiner Erkrankung einen Befundbericht für die Deutsche Rentenversicherung vom xx. April 2023 vor, aus dem sich ergibt, dass der Kläger seit dem 19. September 2022 an Depressionen erkrankt ist und dass er an Schlafstörungen, Tinnitus und an einem HWS-Syndrom leidet.

    Der Entlassungsbericht aus einer Rehabilitationsmaßnahme, die der Kläger in dem Zeitraum vom xx. November 2023 bis zum xx. Dezember 2023 in der B-Klinik in B absolvierte, weist als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung (schwere Episode), Dysthymia, soziale Phobien, undifferenzierte Somatisierungsstörung, Tinnitus aurium und Migräne ohne Aura aus.

    Aus einer sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme vom xx. März 2024 ergibt sich, dass der Kläger auch noch im März 2024 für länger als sechs Monate nicht leistungsfähig sei.

    Auf Aufforderung des Gerichts hat der Kläger Nachweise über die geltend gemachten Krankheitskosten eingereicht. Insoweit wird auf Blatt 128 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

    Der Kläger beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid für 2023 vom xx. Juli 2024 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx. November 2024 dahingehend abzuändern, dass von dem Gesamtbetrag der Einkünfte außergewöhnliche Belastungen in Gesamthöhe von 15.897,00 € - vor Abzug der zumutbaren Belastung - abgesetzt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass der Kläger seine materielle Existenzgrundlage nicht durch die Zahlungen an die Glücksspielanbieter, sondern durch die mit Wirkung zum 31. Oktober 2022 ausgesprochene Kündigung seines Arbeitgebers verloren habe.

    Die Klagen gegen die Glücksspielanbieter hätten weder einen Einfluss auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch auf die Höhe des vereinnahmten Krankengeldes, auf die Höhe der Leistungen nach dem ALG I oder auf die Höhe des zukünftigen Bürgergeldes. Diese Bezüge würden den gesetzlichen Pfändungsschutzgrenzen unterfallen und seien auch im Falle einer Privatinsolvenz abgesichert.

    Es bestehe eine Diskrepanz zwischen den eingeklagten Vermögensschäden und der Summe der eigenen Verbindlichkeiten. Der Kläger habe seine Vermögensverhältnisse zum Stichtag 31. Januar 2023 dargestellt. Daraus würden sich Verbindlichkeiten in Höhe von 69.073,96 € ergeben:

    Datum    Bank    Konto    Saldo
    31.01.2023    A AG    DE xx    -35.424,43 €
    31.01.2023    B AG    DE xx    -1.451,99 €
    31.01.2023    B AG    DE xx    -6.781,91 €
    31.01.2023    B AG    DE xx    -8.115,63 €
    C Bank    Kreditkartenkonto    -7.000,00 €
    KfW-Bank    A-kredit    -7.200,00 €
    O Bank    Girokonto    -1.100,00 €
    V Bank    Girokonto    -2.000,00 €
    ______________
    Summe    -69.073,96 €
    Eingeklagt habe der Kläger gegenüber den Glücksspielanbietern einen erheblich höheren Betrag, nämlich eine Schadenssumme in Höhe von 137.294,86 €. Schon allein aus diesem Grund gehe es im vorliegenden Fall nicht um die Existenzgrundlage.

    Am xx. Juni 2025 fand vor dem Niedersächsischen Finanzgericht die mündliche Verhandlung statt. Sowohl dem Klägervertreter als auch der Vertreterin des Beklagten war gestattet worden, per elektronischer Bild- und Tonübertragung (Videoverhandlung) an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Während die Videoverhandlung mit dem Klägervertreter technisch einwandfrei funktionierte, konnte sich die Vertreterin des Beklagten in die Videokonferenz zwar einwählen, es konnte aber keine Bild- und Tonübertragung hergestellt werden. Daraufhin nahm das Gericht telefonischen Kontakt zur Vertreterin des Beklagten auf. Die Vertreterin des Beklagten verzichtete telefonisch auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung. Sie verfolgte den Gang der mündlichen Verhandlung über das Mikrofon der Telefonanlage, griff aber nicht aktiv in die Verhandlung ein. Sowohl die Vertreterin des Beklagten als auch der Vertreter des Klägers verzichteten auf eine Rüge wegen der technischen Störung.

    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist unbegründet.

    I. Der Beklagte hat die geltend gemachten Prozesskosten zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt (dazu unter 1.). Der größte Teil der Krankheitskosten ist zwar grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig. Die insoweit entstandenen Aufwendungen wirken sich aber wegen der zumutbaren Belastung nicht aus (dazu unter 2.).

    1. Die von dem Kläger geltend gemachten Prozesskosten in Höhe von 14.556 € sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

    a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG).

    Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

    Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

    b) Die Vorschrift in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz - AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 in das Gesetz eingefügt. Die Regelung trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809). Sie ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG). § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist auch für die im vorliegenden Fall geltend gemachten Anwalts- und Gerichtskosten einschlägig.

    c) Bei den von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungen in Zusammenhang mit den Prozessen gegen die Glückspielanbieter handelt es sich um Prozesskosten im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Das steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit. Der Senat sieht deshalb insoweit von weiteren Ausführungen ab.

    d) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG regelt die Voraussetzungen für den Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen abschließend (ebenso: Heim, DStZ 2014, 165 (168); Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Lieferung 301, Dezember 2020, § 33 EStG. Rz. 209 am Ende). Die in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG zugelassene Ausnahme von dem Abzugsverbot stellt eine bereichsspezifische Konkretisierung der erforderlichen Zwangsläufigkeit für den Abzug als außergewöhnliche Belastungen dar. Wird die Ausnahmeregelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG bejaht, sind Prozesskosten als zwangsläufig anzusehen und können - jedenfalls bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Außergewöhnlichkeit und Notwendigkeit - als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Es bedarf keiner ergänzenden Prüfung, ob Prozesskosten auch noch nach den allgemeineren Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG als zwangsläufig anzusehen sind (anderer Ansicht: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Mai 2024 - 9 K 28/23, EFG 2024, 1890, Rz. 134 ff. bei juris; Revision eingelegt, Az. des BFH: VI R 22/24). Das ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

    aa) Vor der Einführung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nahm die Rechtsprechung eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten an (z.B. BFH-Urteil vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745, Rz. 10 bei juris; BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, Rz. 14 bei juris; BFH-Urteil vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382, Rz. 17 bei juris; BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz. 11 bei juris; BFH-Urteil vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739, Rz. 17 bei juris; BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 VI R 44/15, BFH/NV 2017, 12, Rz. 13 bei juris).

    Zwar vertrat der BFH in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) zwischenzeitlich eine großzügigere Auffassung. Er kehrte aber mit seinem Urteil vom 18. Juni 2015 (VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz. 11 ff. bei juris) wieder zu seiner früheren Rechtsprechung zurück.

    Der Kerngedanke der damaligen Rechtsprechung war, dass allein der Umstand, dass sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess den Prozesskosten aus rechtlichen Gründen nicht entziehen könne, nicht ausreichend sei, um die Zwangsläufigkeit derartiger Kosten anzuerkennen. Die Rechtsprechung stellte auf die Ursache ab, die zu den Prozesskosten geführt hatte. Deshalb wurden Zivilprozesskosten nur dann als zwangsläufig angesehen, wenn auch das die Prozessführung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war (z.B. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 51, Rz. 12 bei juris; BFH-Urteil vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BFHE 179, 383, BStBl II 1996, 197, Rz. 8 bei juris; BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz. 16 f. bei juris; BFH-Urteil vom 19. August 2015 X R 34/12, BFH/NV 2016, 22, Rz. 41 bei juris; BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142, Rz. 11 bei juris; BFH-Urteil vom 10. März 2016 VI R 72/14, BFH/NV 2016, 1265, Rz. 12 bei juris; BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 14/14, BFH/NV 2016, 1441, Rz. 10 bei juris).

    Die Rechtsprechung verneinte regelmäßig die Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten, die aufgrund von rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen entstanden waren. Bei solchen Prozessen würden keine Umstände zugrunde liegen, die auf den Steuerpflichtigen in einer Weise eingewirkt hätten, dass er ihnen nicht ausweichen könne. Außerdem sei es in der Regel der freien Entscheidung des Steuerpflichtigen überlassen, ob er sich zur Durchsetzung oder zur Abwehr seines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozesskostenrisiko aussetzen wolle. Deshalb würde in aller Regel kein Zwang von außen an den Steuerpflichtigen herantreten. Der Steuerpflichtige habe die Ursachen für den Prozess (zumindest auch) selbst gesetzt (z.B. BFH-Urteil vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745, Rz. 10 bei juris: Scheidungsvereinbarung; BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, Rz. 17 bis 19, 22, 27 und 29 bei juris: Vollstreckung aus einem Schiedsvergleich; BFH-Urteil vom 23. Mai 2001 III R 33/99, BFH/NV 2001, 1391, Rz. 17 bei juris: Rückabwicklung eines Bauträgervertrags; BFH-Urteil vom 19. November 2015 VI R 38/14, BFH/NV 2016, 902, Rz. 13 ff. bei juris: Fertigstellung einer Doppelhaushälfte; BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 19/14, BFH/NV 2016, 909, Rz. 22 ff. bei juris: Rückabwicklung eines Kauf- und Werkvertrags; BFH-Urteil vom 18. Februar 2016 VI R 17/13, BFH/NV 2016, 1148, Rz. 20 bei juris: Vollstreckungsabwehrklage wegen Grundstückskaufvertrag und Darlehensvertrag; BFH-Urteil vom 10. März 2016 VI R 72/14, BFH/NV 2016, 1265, Rz. 26 bei juris: Mangelhafte Werkleistungen; BFH-Urteil vom 14. April 2014 VI R 5/13, BFH/NV 2016, 1015 [BFH 14.04.2016 - VI R 5/13], Rz. 21 bei juris: Beendigung eines Mietverhältnisses; BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 38/15, BFH/NV 2016, 1442, Rz. 22 bei juris: Beendigung eines Mietverhältnisses; BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 14/14, BFH/NV 2016, 1441, Rz. 17 bei juris: Anfechtung der Annahme einer Erbschaft; BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 VI R 44/15, BFH/NV 2017, 12, Rz. 18 bei juris: Fehlerhafte Bauüberwachung; vgl. auch: BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 61/13, BFH/NV 2016, 1268, Rz. 18 bei juris: Abwehr der Berichterstattung über eine Straftat).

    Diese Rechtsprechung galt sogar, wenn der Steuerpflichtige Opfer eines Betrugs wurde und für die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen keine Gegenleistungen erbracht wurden (BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, Rz. 17 bei juris; BFH-Beschluss vom 18. April 2016 VI B 120/15, BFH/NV 2016, 1160, Rz. 7 ff. bei juris). Prozesskosten im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen konnten für sich allein eine Zwangsläufigkeit im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht begründen. Die Zwangsläufigkeit von Prozesskosten wurde von der Rechtsprechung nur bejaht, wenn zusätzlich zu der selbst begründeten Rechtspflicht eine weitere rechtliche oder sittliche Pflicht oder eine tatsächliche Zwangslage zur Leistung der Aufwendungen trat (BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, Rz. 17 bei juris).

    bb) Auch im vorliegenden Fall war der Kläger nicht gezwungen, Verträge mit Glückspielanbietern abzuschließen und sich des Risikos des Verlustes des Spieleinsatzes auszusetzen. Die Zahlungen des Klägers erfolgten aufgrund der eigenverantwortlichen und freiwilligen Entscheidung des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aufgrund eines unabweislichen von außen auf ihn einwirkenden Zwangs die Verträge mit den Glückspielanbietern abgeschlossen hatte, sind nicht ersichtlich. Der Kläger war auch nicht gezwungen, die Rückforderungsprozesse gegenüber den Glückspielanbietern zu führen. Er setzte sich dem Prozesskostenrisiko aufgrund von eigenverantwortlichen Entscheidungen aus. Damit hatte der Kläger eine entscheidende Ursache für die Prozesse selbst gesetzt. Prozesskosten im Zusammenhang mit der Rückabwicklung von freiwillig eingegangenen Glückspielverträgen wären nach dieser Rechtsprechung nicht zwangsläufig.

    cc) In dem Urteil des BFH vom 9. Mai 1996 (III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, Rz. 20 bei juris) erweiterte der BFH die Rechtsprechung allerdings dahingehend, dass in denjenigen Fällen, in denen der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich berührt, der Steuerpflichtige in eine Zwangslage geraten könne, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich sei. Ein solcher Ausnahmefall könne aber nur dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Diese Formulierung griff der BFH in seiner Folgerechtsprechung immer wieder auf und behandelte die Fallgruppe der "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" und der "Gefahr, die notwendigen Bedürfnisse nicht mehr im üblichen Rahmen befriedigen zu können" als (einheitlichen) Ausnahmefall zu dem Grundsatz, dass Zivilprozesskosten, die auf freiwillig eingegangenen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen und freiwilliger Prozessführung beruhen, nicht zwangsläufig waren (z.B. BFH-Urteil vom 23. Mai 2001 III R 33/99, BFH/NV 2001, 1391, Rz. 15 bei juris; BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz. 18 bei juris; BFH-Urteil vom 19. November 2015 VI R 38/14, BFH/NV 2016, 902, Rz. 12 bei juris; BFH-Urteil vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418, BStBl II 2018, 742, Rz. 15 bei juris; BFH-Urteil vom 16. Februar 2016 IX R 1/15, BFH/NV 2016, 1261, Rz. 30 bei juris; BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 38/15, BFH/NV 2016, 1442, Rz. 16 bei juris; BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 VI R 29/15, BFH/NV 2016, 1550, Rz. 10 bei juris).

    dd) Für das Verständnis des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG lassen sich aus dieser Rechtsprechungsentwicklung folgende Schlüsse ableiten: Der Gesetzgeber postuliert in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ein weitgehendes Abzugsverbot für Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen. Damit verschärft der Gesetzgeber die Vermutung der früheren Rechtsprechung gegen die Abzugsfähigkeit von Zivilprozesskosten zu einem generellen Abzugsverbot. Als einzigen Ausnahmefall übernimmt der Gesetzgeber die vom BFH in dem Urteil vom 9. Mai 1996 a.a.O. erstmals verwendete und danach vielfach wiederholte Formulierung für Rechtsstreitigkeiten in einem für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich. Die Bejahung oder Verneinung dieser Ausnahme bestimmt daher abschließend darüber, ob Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind. Denn die Ausnahme umfasste nach der früheren Rechtsprechung auch diejenigen Fälle, in denen die Zwangsläufigkeit des die Prozessführung adäquat verursachenden Ereignisses ansonsten verneint worden wäre.

    ee) Zusätzliche Prüfungen der Zwangsläufigkeit anhand der allgemeineren Voraussetzungen in § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG scheiden deshalb aus (anderer Ansicht: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Mai 2024 - 9 K 28/23, EFG 2024, 1890, Rz. 134 ff. bei juris, Revision eingelegt, Az. des BFH: VI R 22/24). Sie würden im vorliegenden Fall wegen der Freiwilligkeit des Abschlusses der Glückspielverträge und der Freiwilligkeit der Prozessführung dazu führen, dass der Kläger die Prozesskosten auch dann nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehen könnte, wenn er ohne die angestrengten Prozesse Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Ein solches Ergebnis würde nicht nur dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG zuwiderlaufen. Es würde auch der Zielrichtung des § 33 EStG widersprechen, der sicherstellen will, dass die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums einsetzt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, Rz. 12 bei juris).

    e) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

    aa) Der BFH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG klargestellt, dass von den vor der Neuregelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG anerkannten drei Fallgruppen von zwangsläufig entstandenen Zivilprozesskosten (Aufwendungen für Scheidungsprozesse, Aufwendungen für Prozesse, die einen existenziell wichtigen Bereich erfassen, und Aufwendungen für Prozesse, die den Kernbereich des menschlichen Lebens berühren) nur noch eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Abzugsverbot in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG zugelassen ist, und zwar für Aufwendungen für Prozesse, die einen existenziell wichtigen Bereich für den Steuerpflichtigen betreffen. Die beiden anderen Ausnahmen für Zivilprozesskosten - die Scheidungsprozesse und die Rechtsstreitigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Kernbereich des menschlichen Lebens geführt werden - hat der Gesetzgeber nicht in das Gesetz übernommen (BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 27/18, BFHE 270, 330, BStBl II 2021, 86, Rz. 24 ff. bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 15/18, BFHE 270, 324, BStBl II 2021, 83, Rz. 18 ff. bei juris).

    bb) Die "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" und die "Gefahr, die notwendigen Bedürfnisse nicht mehr im üblichen Rahmen befriedigen zu können", sind zwei Tatbestandsmerkmale, die mit der Konjunktion "und" verbunden sind, sodass die Voraussetzungen grundsätzlich kumulativ vorliegen müssen. Ob allerdings eine trennscharfe Unterscheidung zwischen der Wahrung der Existenzgrundlage und der Erhaltung der notwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen möglich ist, erscheint dem Senat zweifelhaft (ebenso: Bleschick, FR 2013, 932 (934); Heim, DStZ 2014, 165 (170): Unterschied allenfalls in Nuancen; dagegen um eine Differenzierung bemüht: Kanzler, FR 2014, 209 (215); Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Lieferung 301, Dezember 2020, § 33 EStG, Rz. 212 bis 214). Gegen eine Differenzierung spricht, dass der BFH die Formulierung in seiner früheren Rechtsprechung zur Umschreibung eines einheitlichen Ausnahmefalls verwendet hat. Im vorliegenden Fall braucht diese Frage aber nicht abschließend entschieden werden. Der Senat ist der Auffassung, dass bereits die "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.

    cc) Was unter dem Begriff der "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" zu verstehen ist, lässt sich aus der Gesetzesbegründung des historischen Gesetzgebers nicht konkret entnehmen. In der Stellungnahme zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 schlug der Bundesrat eine gesonderte Regelung für Prozesskosten in § 33 EStG vor. In dem Vorschlag wurde bereits die "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" als Ausnahme von dem Abzugsverbot genannt. Der Bundesrat führte aus, dass die Abzugsmöglichkeiten für Prozesskosten nach der höchstrichterlichen Ausweitung durch das BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) wieder auf den "bisherigen engen Rahmen" beschränkt werden solle (BR-Drucks. 302/12 (Beschluss), S. 34). Ähnlich wurde in dem Gesetzesentwurf des Bundesrats für das Jahressteuergesetz 2013 vom 10. April 2013 argumentiert. Es wurde wiederum eine gesonderte Regelung für Prozesskosten vorgeschlagen (BT-Drucks 17/13033, S. 14). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es angesichts des BFH-Urteils vom 12. Mai 2011 angezeigt sei, die Anwendbarkeit des § 33 EStG für Prozesskosten "auf einen engen Rahmen" zu beschränken (BT-Drucks 17/13033, S. 67). Im Rahmen der Beratungen zu dem Entwurf des AmtshilfeRLUmsG wurde dieser Vorschlag von dem Vermittlungsausschuss in der Beschussempfehlung vom 5. Juni 2013 wieder aufgegriffen, ohne eine Begründung beizufügen (BT-Drucks 17/13722, S. 9). Weitere Begründungen des Gesetzgebers für die Einfügung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind nicht ersichtlich.

    Erkennbar ist lediglich, dass der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit der Prozesskosten mit dem Begriff der "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" auf einen "engen Rahmen" begrenzen wollte (ebenso: BFH-Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz. 34 bei juris: BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 27/18, BFHE 270, 330, BStBl II 2021, 86, Rz. 28 bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 15/18, BFHE 270, 324, BStBl II 2021, 83, Rz. 22 bei juris). Damit geht einher, dass der BFH in seiner umfangreichen früheren Rechtsprechung die "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" zwar immer als mögliche Ausnahme für die höchstrichterliche Vermutung gegen die Abzugsfähigkeit von Prozesskosten genannt hat, dass diese Ausnahme in der damaligen Rechtsprechungspraxis aber regelmäßig nicht zu dem Ergebnis geführt hat, dass Prozesskosten von dem BFH als außergewöhnliche Belastungen anerkannt wurden (ebenso: Kanzler, FR 2014, 209 (212) und Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Lieferung 301, Dezember 2020, § 33 EStG, Rz. 209; auch: Heim, DStZ 2014, 165 (170): nur in einer absoluten Ausnahmesituation denkbar).

    dd) Nach der bisher ergangenen Rechtsprechung des BFH zu § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind unter den Begriff der "Existenzgrundlage" die materiellen Lebensgrundlagen des Steuerpflichtigen zu verstehen (BFH-Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz 16 ff. bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 27/18, BFHE 270, 330, BStBl II 2021, 86, Rz. 20 ff. bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 15/18, BFHE 270, 324, BStBl II 2021, 83, Rz. 14 bei juris). Der BFH begründet seine Auffassung damit, dass der Begriff der "Existenzgrundlage" auch in anderen Zusammenhängen von der Rechtsprechung in einem materiellen Sinn verstanden worden ist. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa der Betrieb (BFH-Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499, Rz. 27 bei juris: Fotofachgeschäft; BFH-Urteil vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908, Rz. 14 bei juris: land- und forstwirtschaftlicher Betrieb), der Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459, Rz. 5 bei juris: selbständige und nichtselbständige Arbeit als Künstler), der Arbeitsplatz (BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142, Rz. 19 bei juris: Existenzgefährdung, durch Verlust des Arbeitsplatzes) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063, Rz. 41 bei juris: Geldmittel, die wirtschaftlich die Existenzgrundlage bilden) bezeichnet (Aufzählung im BFH-Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz. 17 bei juris; zustimmend: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Mai 2024 - 9 K 28/23, EFG 2024, 1890, Rz. 79 bei juris; Revision eingelegt, Az. des BFH: VI R 22/24; Hettler, DStR 2018, 2307 (2308)).

    ee) Für eine weitergehende Konkretisierung zieht der Senat den Zweck des § 33 EStG heran.

    aaa) § 33 EStG dient - zusammen mit dem Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 EStG und der Abzugsmöglichkeit für Sonderausgaben gemäß § 10 EStG - dazu, dass die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums einsetzt (z.B. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, Rz. 12 bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 27/18, BFHE 270, 330, BStBl II 2021, 86, Rz. 31 bei juris; Heim, DStZ 2014, 165 (166); Bleschick, FR 2013, 932). Entstehen dem Steuerpflichtigen existentiell erforderliche Aufwendungen, die weder durch den Grundfreibetrag noch durch den Sonderausgabenabzug erfasst sind, ist der individuelle existenzielle Bedarf höher als der übliche Bedarf der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (§ 33 Abs. 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen (z.B. BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz. 10 bei juris; BFH-Urteil vom 17. Dezember 2015 VI R 78/13, BFH/NV 2016, 904, Rz. 5 bei juris; BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 20/14, BFH/NV 2016, 1000, Rz. 10 bei juris; BFH-Urteil vom 10. März 2016 VI R 80/14, BFH/NV 2016, 1266, Rz. 13 bei juris; BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 14/14, BFH/NV 2016, 1441, Rz. 9 bei juris; BFH-Urteil vom 9. Mai 2017 IX R 45/15, BFH/NV 2017, 1036, Rz. 24 bei juris). § 33 EStG dient mithin der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Prinzips der Steuerfreiheit des Existenzminimums (Art. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG).

    Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser sein Einkommen zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Der Grundgedanke der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, gebietet auf der anderen Seite, nur diejenigen Aufwendungen steuerfrei zu stellen, die erforderlich sind, um das Existenzminimum zu erlangen und zu bewahren (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz. 36 bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 27/18, BFHE 270, 330, BStBl II 2021, 86, Rz. 31 bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 15/18, BFHE 270, 324, BStBl II 2021, 83, Rz. 25 bei juris). Zu dem einkommensteuerlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht. Deshalb hat der BFH in seinen bisherigen Urteilen zu § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Prozesskosten nur als abzugsfähig angesehen, soweit die Prozesse "zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind" (BFH-Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz. 37 bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 27/18, BFHE 270, 330, BStBl II 2021, 86, Rz. 32 bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 15/18, BFHE 270, 324, BStBl II 2021, 83, Rz. 26 bei juris; ebenso: Hettler, DStR 2018, 2307).

    bbb) Zu beachten ist aber, dass der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendete Begriff der "Existenzgrundlage" nicht mit dem Begriff des "Existenzminimums" übereinstimmt. Anknüpfend an die Ausführungen des BFH in dem Urteil vom 18. Mai 2017 a.a.O. (Rz. 17) versteht der Senat die "Existenzgrundlage" als die sachlich-gegenständlich abgrenzbare Erwerbs- oder Einkommensgrundlage des Steuerpflichtigen, mit der er die Finanzierung seiner existenziellen Bedürfnisse sichert (ähnlich: Kanzler, FR 2014, 209 (216)). Läuft der Steuerpflichtige Gefahr, seinen Betrieb, seinen Beruf, seinen Arbeitsplatz oder sein sonstiges Einkommen zu verlieren und hat er keine ausreichenden anderen Einkommensquellen, die sein Existenzminimum absichern, ist seine "Existenzgrundlage" in Gefahr. Deshalb setzt die Abzugsfähigkeit der Prozesskosten gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG voraus, dass die Prozesskosten dazu dienen, die Gefahr des Wegbrechens der für die Existenzsicherung des Steuerpflichtigen maßgeblichen Erwerbs- oder Einkommensgrundlage zu verhindern. Der Prozess muss dazu dienen, die materiellen Lebensgrundlagen zu erhalten und den Steuerpflichtigen vor einer Existenznot zu bewahren (so Bleschick, FR 2013, 932 (936); auch Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Lieferung 301, Dezember 2020, § 33 EStG, Rz. 212 am Ende).

    Dementsprechend hat der BFH die "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" in einem Fall anerkannt, in dem eine 12-jährige Geschädigte eines Verkehrsunfalls mit dem Prozess den Ersatz für den verletzungsbedingt erlittenen Erwerbs- und Fortkommensschaden einklagte. Die unter irreversiblen geistigen und körperlichen Folgeschäden leidende Klägerin war nach dem Unfall zeitlebens auf fremde Hilfe angewiesen. Der BFH bejahte die Abzugsmöglichkeit der Rechtsanwaltskosten für einen mit der Versicherungsgesellschaft ausgehandelten Vergleich als außergewöhnliche Belastung, weil diese Kosten dazu dienen würden, die Existenz der Klägerin wirtschaftlich abzusichern (BFH-Urteil vom 26. Mai 2020 IX R 15/19, BFHE 269, 94, BStBl II 2021, 901, Rz. 22 bei juris).

    Dagegen verneinte der BFH die "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" bei Prozesskosten für einen Arzthaftungsprozess, mit dem die Steuerpflichtige einen Zahnarzt erfolglos wegen Behandlungsfehlern verklagt hatte. Dabei stellte der BFH auf Höhe und Inhalt der geltend gemachten Schadensersatzansprüche ab und führte aus, dass der Schadensersatzprozess zur Sicherung der materiellen Existenzgrundlage der Klägerin nicht notwendig gewesen sei (BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 27/18, BFHE 270, 330, BStBl II 2021, 86, Rz. 42 bei juris)

    Dieses Verständnis stimmt mit der Rechtsprechung vor der Einführung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG überein. Damals hat es der BFH für möglich gehalten, dass Aufwendungen für einen Arzthaftungsprozess abzugsfähig sein können, wenn die Klage auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente oder auf eine existenziell wichtige Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen abzielt (so BFH-Urteil vom 17. Dezember 2015 VI R 78/13, BFH/NV 2016, 904, Rz. 10 bei juris). Gleiches gilt für eine Schadensersatzklage, die wegen des befürchteten Verlustes des Arbeitsplatzes und wegen erhöhter lebensnotwendiger Bedürfnisse aufgrund der erlittenen Verletzungen geführt wird (BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142, Rz. 21 bei juris).

    Werden die Prozesskosten dagegen aufgewendet, um zusätzliches Einkommen zu erlangen oder zu bewahren, obwohl das Existenzminimum des Steuerpflichtigen durch eine andere Erwerbs- oder Einkommensquelle abgesichert ist, dient der Prozess nicht dazu, die "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" abzuwenden, sodass keine Abzugsfähigkeit im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG gegeben ist.

    ccc) Eine rein einkommensbezogene Betrachtungsweise reicht allerdings nicht aus, um den Begriff der "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" vollständig zu erfassen. Die "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" kann auch bestehen, wenn der Prozess zur Erlangung oder zur Bewahrung von existenzsicherndem Vermögen geführt wird.

    c.1.) Der BFH erkennt in ständiger Rechtsprechung an, dass menschenwürdiges Wohnen ein existenzielles Bedürfnis von Steuerpflichtigen ist (BFH-Urteil vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104, Rz. 31 ff. bei juris; BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 19/14, BFH/NV 2016, 909, Rz. 24 bei juris; BFH-Urteil vom 14. April 2014 VI R 5/13, BFH/NV 2016, 1015 [BFH 14.04.2016 - VI R 5/13], Rz. 23 bei juris; BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 38/15, BFH/NV 2016, 1442, Rz. 24 bei juris). Prozesskosten, die der Abwehr von gravierenden, die Wohnnutzung in Frage stellenden Vermögensschäden an einer selbstgenutzten Wohnung dienen, sind als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig (BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, Rz. 18 f. bei juris: Prozesskosten zur Abwehr aufstauungsbedingter Hochwasserschäden; BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436, Rz. 17 ff. bei juris: Schlichtungskosten wegen der Beeinträchtigung des Hauses durch Bergschäden).

    Dagegen gehört der Erwerb eines Eigenheims nicht mehr zur "Existenzgrundlage", weil das elementare private Wohnbedürfnis nicht durch das Wohnen im eigenen Haus befriedigt werden muss. Deshalb gehören Prozesskosten wegen der Nichtfertigstellung eines Hauses, wegen Baumängeln, wegen der Nichtbeachtung eines Vorkaufsrechts oder wegen der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück nicht zum existenziellen Bereich (BFH-Urteil vom 23. Mai 2001 III R 33/99, BFH/NV 2001, 1391, Rz. 21 bei juris: Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Grundstück; BFH-Beschluss vom 11. Februar 2009 VI B 140/08, BFH/NV 2009, 762, Rz. 5 bei juris: Baumängel; BFH-Urteil vom 19. November 2015 VI R 38/14, BFH/NV 2016, 902, Rz. 15 bei juris: Fertigstellung des Bauwerks; BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 19/14, BFH/NV 2016, 909, Rz. 23 ff. bei juris: Baumängel; BFH-Urteil vom 16. Februar 2016 IX R 1/15, BFH/NV 2016, 1261, Rz. 31 bei juris: Zwangsvollstreckung in ein Grundstück; BFH-Urteil vom 10. März 2016 VI R 72/14, BFH/NV 2016, 1265, Rz. 26 bei juris: mangelhafte Werkleistungen; BFH-Urteil vom 10. März 2016 VI R 80/14, BFH/NV 2016, 1266, Rz. 20 bei juris: Baumängel; BFH-Urteil vom 14. April 2014 VI R 5/13, BFH/NV 2016, 1015 [BFH 14.04.2016 - VI R 5/13], Rz. 23 bei juris; Vorkaufsrecht; BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 VI R 44/15, BFH/NV 2017, 12, Rz. 18 bei juris: Baumängel). Gleiches gilt für Prozesskosten wegen Mietzahlungen, wegen Gegenansprüchen und wegen Schadensersatz im Rahmen der Beendigung eines Mietverhältnisses (BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 38/15, BFH/NV 2016, 1442, Rz. 24 bei juris).

    c.2.) Der BFH rechnet auch Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von existenznotwendigen Vermögensgegenständen, wie Kleidung und Hausrat, welche aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses beschädigt oder zerstört worden sind, zur Existenzgrundlage (BFH-Urteil vom 6. Mai 1994 III 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104 [BFH 06.05.1994 - III R 27/92], Rz. 30 ff. bei juris; BFH-Urteil vom 20. November 2003 III R 2/02, BFH/NV 2004, 530 [BFH 18.12.2003 - I B 137/03]. Rz. 27 bei juris; BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, Rz. 18 bei juris). Deshalb wären auch Prozesskosten, die der Erlangung oder dem Erhalt existenziell erforderlichen Hausrats oder von existenziell erforderlicher Kleidung dienen, grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

    c.3.) Der BFH hat in dem bereits zitierten Urteil vom 21. Juli 2004 (X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063, Rz 41 bei juris) auch sonstige zur Verfügung stehende Geldmittel als wirtschaftliche Existenzgrundlage angesehen. Deshalb sind auch Prozesskosten, die auf die Erlangung oder die Bewahrung von Geldvermögen gerichtet sind, als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, wenn diese Geldmittel die Existenzgrundlage für den Steuerpflichtigen darstellen. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige von diesem Vermögen seine Lebensgrundlagen bestreitet. Dies dürfte sogar unabhängig davon gegeben sein, ob dieses Vermögen ertragbringend ist oder nicht (anderer Ansicht: Kanzler, FR 2014, 209 (216); Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Lieferung 301, Dezember 2020, § 33 EStG, Rz. 213 am Anfang; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Mai 2024 - 9 K 28/23, EFG 2024, 1890, Rz. 92 f. bei juris; Revision eingelegt, Az. des BFH: VI R 22/24). Denn auch der bloße Verbrauch von Geldmitteln ist existenziell bedeutsam, wenn der Steuerpflichtige sein Existenzminimum nur durch den Verbrauch von Geldmitteln bestreitet.

    c.4.) Der Senat ist der Auffassung, dass es für die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht ausreicht, dass die bedrohte Vermögenseinheit den wesentlichen Teil des Vermögens ausmacht (so aber Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Mai 2024 - 9 K 28/23, EFG 2024, 1890, Rz. 86 ff. bei juris; Revision eingelegt, Az. des BFH: VI R 22/24). Der Annahme, dass § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG immer dann eingreift, wenn die bedrohte Vermögenseinheit 85% des gesamten ertragbringenden Vermögens des Steuerpflichtigen umfasst, steht bereits der Umstand entgegen, dass ein Restvermögen von weniger als 15% - je nach Größe des Gesamtvermögens - durchaus geeignet sein kann, die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen darzustellen. Außerdem stellt der Verlust eines wesentlichen Teils des Vermögens auch dann keine "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" dar, wenn dem Steuerpflichtigen andere - nicht vermögensbasierte - Erwerbs- und Einkommensgrundlagen zur Verfügung stehen, mit denen er seine existenziellen Lebensbedürfnisse befriedigen kann.

    ddd) Werden diese Überlegungen zusammengefasst, zeigt sich, dass unterschiedlichste Fallkonstellationen denkbar sind, in denen Prozesskosten dazu aufgewendet werde können, um die Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage abzuwenden. Eine abschließende Definition der Fälle, in denen eine solche Gefahr besteht oder nicht besteht, verbietet sich angesichts der Vielgestalt möglicher Fälle. Vielmehr bedarf es einer wertenden Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls, die sich an dem Zweck des § 33 EStG als Schutznorm zur Gewährleistung der Steuerfreiheit des Existenzminiums ausrichtet. Eine "starre Regel" gibt es insoweit nicht (so bereits: BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, Rz. 17 bei juris; BFH-Urteil vom 19. November 2015 VI R 38/14, BFH/NV 2016, 902, Rz. 11 bei juris; vgl. auch schon: BFH-Urteil vom 5. Juli 1963 VI 272/61 S, BFHE 77, 487, BStBl III 1963, 499, Rz. 13 bei juris: keine allgemein gültigen Regeln möglich).

    ff) Die dem Kläger entstandenen Prozesskosten sind keine Aufwendungen, ohne die der Kläger Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

    aaa) In den Vorjahren bestritt der Kläger seinen Lebensunterhalt durch eine nichtselbständige Beschäftigung als Betriebswirt. Er verlor seine Arbeitsstelle Ende 2022. Im Streitjahr 2023 erzielte der Kläger keine laufenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mehr. Die noch verbliebenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erschöpften sich in der Abfindung in Höhe von 30.000 € und in der Abgeltung von Urlaubsansprüchen in Höhe von 2.531,08 €. Es ist unbestreitbar, dass der Verlust des Arbeitsplatzes für den Kläger eine große Bedeutung hatte, zumal die Erkrankung des Klägers eine Wiedererlangung eines anderen Arbeitsplatzes auf unabsehbare Zeit unmöglich machte.

    Allerdings erhielt der Kläger im Streitjahr 2023 eine Arbeitsunfähigkeitsrente im Gesamtbetrag von 41.467 €, die nur in Höhe von 30% (=12.440 €) steuerpflichtig war. Angesichts des Zuflusses der Rente in Höhe von 41.467 € war die Existenzgrundlage des Klägers auch ohne die weggebrochenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gesichert. Daran ändert auch nichts, dass die Rente "unter dem Vorbehalt der Rechtswirksamkeit des Vertrags" gezahlt wurde und dass die Prüfung nach den Angaben des Klägers erst im Jahr 2024 mit einem positiven Ergebnis beendet wurde. Unabhängig von der Auffassung des Klägers, dass er die Rentenzahlungen nicht rechtssicher und unbeschränkt habe nutzen können, standen sie ihm für die Bestreitung seines Lebensunterhalts im Streitjahr zur Verfügung.

    Der im Steuerrecht für das Existenzminimum zugebilligte Grundfreibetrag umfasst im Streitjahr 2023 gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG einen Betrag in Höhe von 10.908 €. Das von dem Kläger zu versteuernde Einkommen lag deutlich höher und betrug nach Abschluss des Einspruchsverfahrens 41.333 €. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die realen Zuflüsse in das Vermögen des Klägers noch deutlich darüber lagen, weil die Rente nur zu 30% versteuert wurde.

    Bei dieser Betrachtung ist zudem unbeachtet geblieben, dass dem Kläger im Streitjahr 2023 erhebliche steuerfreie Einnahmen im Sinne von § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG (Krankengeld) bzw. im Folgejahr im Sinne von § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG (Arbeitslosengeld) zur Bestreitung seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse zugeflossen sind. Im Streitjahr betrug das Krankengeld ungefähr 2.900 € monatlich. Dieses wurde erst im März 2024 auf ALG I - Leistungen in Höhe von 2.372,40 € monatlich reduziert. Zwar meint der Kläger, dass er langfristig nur noch Bürgergeld beziehen werde. Dies ist aber in dem Streitjahr und in dem Folgejahr noch nicht der Fall gewesen.

    Letztlich kann der Senat die Frage, ob Leistungen aus den sozialen Sicherungssystemen dazu führen, dass quasi nie eine Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage zu befürchten ist, unbeantwortet lassen (vgl. dazu: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Mai 2024 - 9 K 28/23, EFG 2024, 1890, Rz. 95 und 120 bei juris; Revision eingelegt: Az. des BFH: VI R 22/24). Denn auch dann, wenn diese Leistungen aus der Betrachtung ausgeblendet werden, standen dem Kläger ausreichende Einkünfte zur Verfügung, um seine existenziellen Bedürfnisse zu befriedigen. Hierzu benötigte er nicht die Vermögenszuflüsse, die er mit den angestrengten Prozessen begehrte.

    bbb) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Zugrundelegung des Grundfreibetrags für die Bestreitung des Existenzminimums im vorliegenden Fall zu niedrig ist, weil der Kläger monatliche Darlehensraten zu begleichen hatte, die andere Steuerpflichtige in seiner Situation nicht zahlen mussten. Eine solche Argumentation könnte für die Anwendung von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG von Bedeutung sein, wenn die monatlichen Darlehensraten dazu führen würden, dass der Steuerpflichtige seinen Lebensunterhalt aus seinen monatlichen Zuflüssen nicht mehr bestreiten könnte. Das ist vorliegend im Streitjahr aber nicht der Fall.

    b.1) Wenn auf die realen Zuflüsse im Streitjahr abgestellt wird, berührten die monatlichen Raten für die aufgenommenen Darlehen die Existenzgrundlage des Klägers nicht:


    Art des monatlichen Zuflusses    Betrag
    Einmaliger Zufluss wegen Abfindung und Urlaubsabgeltung: 32.531 €: 12 Monate =    2.710 €
    Zufluss der Rente (Rentenbetrag laut Veranlagung: 41.467 €: 12 Monate = 3.455 €; nach dem Schreiben der "AB" vom 01.02.2023 betrug allein die Arbeitsunfähigkeitsrente ohne Beitragsrückerstattung und Zinsen monatlich 2.753,91 €)    2.754 €
    Zufluss des Krankengelds (nach Angaben des Klägers)    2.900 €
    ______________
    Summe der monatlichen Zuflüsse    8.364 €
    Die von dem Kläger angegebenen Abflüsse betrugen:


    Art des monatlichen Abflusses    Betrag
    Monatliche Raten für alle Darlehen    1.157 €
    Ablösung des Dispokredits    100 €
    Allgemeine Lebenshaltungskosten    1.800 €
    ______________
    Summe der Abflüsse    3.057 €
    Daraus ergibt sich im Streitjahr ein erheblicher Überhang der Zuflüsse im Vergleich zu den Abflüssen und zwar in Höhe von 5.307 € monatlich.

    b.2.) Indes argumentiert der Kläger nicht mit der aktuellen finanziellen Situation in dem Streitjahr, die durch den Erhalt der Abfindung und der Urlaubsabgeltung besonders günstig für den Kläger war, sondern mit der langfristigen Situation des Klägers als zukünftigen nichtbeschäftigten Rentenempfänger. Doch auch dann, wenn auf das Folgejahr abgestellt wird, standen dem Kläger monatliche Renteneinkünfte in Höhe von 2.754 € und monatliches Krankengeld in Höhe von ca. 2.900 € (bis Mitte März 2024) bzw. ALG I - Leistungen in Höhe von monatlich 2.372,40 € (ab Mitte März 2024) zur Verfügung. Die zur Verfügung stehende Gesamtsumme in Höhe von mindestens monatlich 5.126 € lag immer noch deutlich über dem Bedarf aufgrund der Darlehensraten und den allgemeinen Lebenshaltungskosten in Höhe von 3.057 €.

    b.3.) Soweit der Kläger noch längerfristig damit argumentiert, dass er in Zukunft nur Bürgergeld beziehen werde und dass die Rentenzahlungen nach 24 Monaten eingestellt werden würden, kann der Senat diese Annahmen nicht zur Grundlage für die Beantwortung der Frage machen, ob der Kläger im Streitjahr 2023 Gefahr lief, seine Existenzgrundlage zu verlieren. Der gesetzliche Tatbestand des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG enthält zwar auch ein prognostisches Element, weil das Merkmal des "Gefahrlaufens" auch absehbare Entwicklungen einbezieht, die sich in dem Veranlagungszeitraum bereits konkret abzeichnen. Bloße Befürchtungen, dass sich die finanzielle Situation des Klägers in Zukunft verschlechtern werde, reichen aber nicht aus, um die "Gefahr des Verlusts der Existenzgrundlage" zu bejahen. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung rechtfertigt die Annahme einer "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" nur dann, wenn das "Gefahrlaufen" in dem maßgeblichen Streitjahr bereits konkret erkennbar ist (Sichtweise ex ante).

    Das ist im Falle des Klägers nicht gegeben. So war die Befürchtung des Klägers, dass er zukünftig nur noch Bürgergeld beziehen werde, aus der erforderlichen Sicht ex ante im Jahr 2023 reine Spekulation. Es war genauso gut möglich, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit überwinden würde und in Zukunft wieder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen würde. Es war auch denkbar, dass sich der Kläger ganz andere Einkommensquellen erschließen würde, die ihm seine Existenzgrundlage in Zukunft sichern würden. Auch hat der Kläger nur behauptet, dass die Rentenzahlungen nach 24 Monaten eingestellt werden würden. Aus dem vorgelegten Schreiben des Versicherungsunternehmens vom 1. Februar 2023 ergibt sich dies nicht.

    In der Literatur wird zu Recht vertreten, dass die "Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage" auch dann vorliegen kann, wenn nur ein vorübergehender Verlust der Erwerbsgrundlagen droht (so Kanzler, FR 2014, 209 (216)). Der drohende Verlust der Existenzgrundlage ist zeitlich mit dem jeweiligen Abzugsjahr verknüpft. Die Beurteilung und Berücksichtigung längerfristiger Entwicklungen wird von dem gesetzlichen Tatbestand nicht verlangt. Dies bedeutet aber umgekehrt. dass die bloße Befürchtung, dass der Verlust der Existenzgrundlage zukünftig eintreten werde, nicht ausreicht, um den Tatbestand des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG zu erfüllen.

    ccc) Die Anerkennung der geltend gemachten Prozesskosten kann aus einem weiteren Grund nicht erfolgen. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass er die Raten für die aufgenommenen Darlehen ohne Existenzgefährdung bedienen konnte, solange er nichtselbständig beschäftigt war. Nach Auffassung des Klägers entstand die existenzbedrohende Situation erst in dem Moment, als er seinen Arbeitsplatz verlor. Selbst dann, wenn man in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Klägers davon ausgehen würde, dass durch den Wegfall der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit die Existenzgrundlage des Klägers berührt wäre, ist in die Beurteilung einzubeziehen, dass die von dem Kläger geltend gemachten Prozesskosten nicht für den Erhalt oder die Wiedererlangung des Arbeitsplatzes, sondern für Prozesse wegen der Rückabwicklung längst geleisteter Zahlungen an die Glückspielanbieter entstanden sind. Mit den Prozessen wurde also nicht die Ursache für die - insoweit unterstellte - Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage, nämlich der Verlust des Arbeitsplatzes, bekämpft, sondern es wurden Forderungen gerichtlich geltend gemacht, die aufgrund von früheren Vermögensabflüssen entstanden waren und die in keinem Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes standen.

    Der Vortrag des Klägers, dass er sich zu den Prozessen gegen die Glückspielanbieter entschlossen habe, weil er den Arbeitsplatz verloren habe, stellt eine bloße gedankliche Verknüpfung der beiden Sachverhalte dar. Dies reicht nach Auffassung des Senats nicht aus, um die erforderliche rechtliche Verbindung zwischen den Prozesskosten und der Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage durch den Verlust des Arbeitsplatzes darzulegen. Die erforderliche Kausalität zwischen der Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage und den Prozesskosten ist nur dann gegeben, wenn der Rechtsstreit wegen des Ereignisses geführt wird, welches für die entstandene Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage verantwortlich ist. Auch in der Literatur wird verlangt, dass die Prozesskosten mit dem Ziel der Rettung der Lebensgrundlagen des Steuerpflichtigen - hier also mit dem Ziel der Rettung seines Arbeitsplatzes - eingesetzt werden müssen (Bleschick, FR 2014, 932 (936 f.). Prozesse, die lediglich aus Anlass einer drohenden Existenznot, aber ohne inneren Zusammenhang mit der Ursache für den Wegfall der Lebensgrundlagen geführt werden, sind durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht begünstigt.

    ddd) Zusammengefasst dienten die zu beurteilenden Prozesskosten nach Auffassung des Gerichts nicht der Beseitigung der Gefahr, die Existenzgrundlage zu verlieren, sondern hatten die Zielrichtung, das Vermögen des Klägers zu mehren. Dies zeigt auch der Vergleich zwischen den Verbindlichkeiten des Klägers in Höhe von ungefähr 70.000 € und der eingeklagten Schadenssumme in Höhe von ungefähr 137.200 €. Die bloße Absicht, eine Vermögensmehrung durch den angestrengten Prozess herbeizuführen, hat der BFH bereits in seiner früheren Rechtsprechung nicht ausreichen lassen, um die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen (BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz. 25 bei juris: Prozess wegen Erbschaft; BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 20/14, BFH/NV 2016, 1000, Rz. 16 bei juris: Prozess wegen Erbschaft; BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 VI R 29/15, BFH/NV 2016, 1550, Rz. 14 bei juris: Vermögensmehrung durch Realisierung von Pflichtteilsansprüchen; BFH-Urteil vom 9. Mai 2017 IX R 45/15, BFH/NV 2017, 1036, Rz. 26 bei juris: Prozess gegen Miterben). Gleiches gilt, soweit der Prozess dazu dient, die Schmälerung einer bereits erlangten Vermögensposition abzuwehren (BFH-Urteil vom 10. März 2016 VI R 70/14, BFH/NV 2016, 1011, Rz. 16 bei juris: Abwehr von Rückübertragungsansprüchen). Die wesentliche Ursache für die angefallenen Aufwendungen liegt auch im vorliegenden Fall im Bereich der durch den Kläger gestaltbaren und gestalteten Lebensführung (BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz. 23 bei juris; BFH-Urteil vom 13. August 2020 VI R 27/18, BFHE 270, 330, BStBl II 2021, 86, Rz. 35 bei juris; vgl. auch BFH-Urteil vom 10. März 2016 VI R 70/14, BFH/NV 2016, 1011, Rz. 16 bei juris).

    gg) An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch den Umstand, dass der Kläger mit seinen Klagen zwar Erfolg hatte, die Glückspielanbieter aber bislang keine Zahlungen geleistet und die Prozesskosten nicht erstattet haben.

    Der BFH hat für den Fall, dass der Steuerpflichtige in dem Prozess obsiegte, die Prozesskosten aber dennoch tragen musste, weil die Gegenpartei vermögenslos geworden war, bereits entschieden, dass sich lediglich die Rechtsgrundlage geändert habe, aus der sich die Pflicht zur Kostentragung ergibt, dass die Wertungen zur Zwangsläufigkeit aber im Übrigen unverändert bleiben (BFH-Urteil vom 23. Mai 2001 III R 33/99, BFH/NV 2001, 1391, Rz. 19 bei juris; BFH-Urteil vom 19. November 2015 VI R 38/14, BFH/NV 2016, 902, Rz. 22 bei juris; ebenso: Baldauf in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 174. Ergänzungslieferung, November 2024, § 33 EStG, Rz. 224). Gleiches gilt für den vorliegenden Fall, in dem zwar stattgebende Urteile vorhanden sind, die Prozesskosten von der unterlegenen Partei aber dennoch nicht erstattet werden. Auch in derartigen Fällen sind Prozesskosten nicht abzugsfähig, wenn die Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage nicht gegeben ist (siehe oben).

    hh) Sollte sich herausstellen, dass die geltend gemachten Prozesskosten von den unterlegenden Glückspielanbietern später doch noch beglichen werden, kommt ein Abzug der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen sowieso nicht in Betracht. Voraussetzung für einen Abzug ist die endgültige Belastung des Steuerpflichtigen (sog. Belastungsprinzip). Ist der von dem Steuerpflichtigen geführte Rechtsstreit zu seinen Gunsten entschieden worden und sind die streitigen Aufwendungen von der Gegenpartei ersetzt worden, fehlt es an der endgültigen Belastung (BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, Rz. 20 bei juris; BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436, Rz. 21 bei juris; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Mai 2024 - 9 K 28/23, EFG 2024, 1890, Rz. 73 f. bei juris; Revision eingelegt, Az. des BFH: VI R 22/24). Ein Abzug bei den außergewöhnlichen Belastungen scheidet dann aus.

    2. Die außerdem geltend gemachten Krankheitskosten sind zwar grundsätzlich in Höhe von 1.331,20 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig (dazu unter a). Sie wirken sich aber wegen der zumutbaren Belastung nicht aus (dazu unter b).

    a) Die geltend gemachten Krankheitskosten in Höhe von 1.341,00 € stellen in Höhe von 1.331,20 € außergewöhnliche Belastungen (vor Abzug der zumutbaren Belastung) dar.

    aa) Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten, also Kosten, die einem objektiv (anomalen) regelwidrigen Körperzustand geschuldet sind, ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und damit als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind (vgl. nur BFH-Urteil vom 10. August 2023 VI R 29/21, BFHE 281, 70, BStBl II 2023, 1110, Rz 12 bei juris; BFH-Urteil vom 29. Februar 2024 VI R 2/22, BStBl II 2024, 514, Rz. 12 bei juris). Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen (BFH-Urteil vom 2. September 2010 VI R 11/09, BFHE 231, 69, BStBl II 2011, 119, Rz 12 bei juris; BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 20/12, BFHE 244, 285, BStBl II 2014, 456, Rz. 13 bei juris).

    bb) Der Kläger hat im Wesentlichen Fahrtkosten zu Ärzten, zur Psychotherapeutin, zum Physiotherapeuten und zum Akustiker als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht. Aufwendungen für Fahrten, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit erforderlich sind, z.B. für Fahrten zum Arzt oder zu einer medizinischen Einrichtung zum Zwecke der Behandlung sind außergewöhnlich und zwangsläufig im Sinne von § 33 EStG (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 16/02, BFHE 206, 525, BStBl II 2005, 23, Rz. 13 bei juris; BFH-Urteil vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, Rz. 35 bei juris). Sie sind nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn sie mit dem eigenen Kfz durchgeführt werden, grundsätzlich nur in Höhe der Kosten öffentlicher Verkehrsmittel als notwendig im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG anzuerkennen (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, Rz. 36 bei juris). Anders liegen die Dinge nur dann, wenn unstrittig ist, dass die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels für die Fahrten zum Arzt nicht in Betracht kommt. In einem solchen Fall bestehen keine Bedenken gegen die Anwendung des pauschalierten Kilometersatzes nach Reisekostengrundsätzen (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, Rz. 47 bei juris).

    cc) So liegen die Dinge im vorliegenden Fall. Der Beklagte hat dem Ansatz mit dem pauschalierten Kilometersatz für die Fahrten zum Arzt nicht widersprochen. Es erscheint ausgeschlossen, dass die krankheitsbedingten Fahrten angesichts der ländlichen Gegend, in der der Kläger wohnt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar bewältigt werden können. Deshalb ist der Ansatz des pauschalierten Kilometersatzes nicht zu beanstanden.

    dd) Der Kläger hat zum Nachweis, dass die Fahrten stattgefunden haben, eine Bestätigung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen eingereicht, in der bescheinigt wird, dass die entsprechenden Behandlungen abgerechnet worden sind. Damit sind die Fahrten nachgewiesen worden. Die Bescheinigung führt teilweise sogar dazu, dass höhere Fahrtkosten anerkannt werden können, als von dem Kläger in der Steuererklärung geltend gemacht worden sind.

    Die von dem Kläger angegebenen Kilometerangaben sind von dem Gericht anhand eines Routenplaners überprüft worden. Die Angaben des Klägers stimmen regelmäßig mit den Entfernungsangaben des Routenplaners überein. Lediglich bei den Entfernungen zur Praxis Dr. M (angegeben: 129 km, angesetzt lt. Routenplaner: 122 km) und zur Rehaklinik in B (angegeben: 466 km, angesetzt lt. Routenplaner: 420 km) mussten angesichts der Angaben des Routenplaners Korrekturen vorgenommen werden. Bei der Entfernung zum Akustiker konnte anhand des Routenplaners eine höhere Kilometerangabe berücksichtigt werden (angegeben: 78 km, angesetzt laut Routenplaner: 80 km).

    Eine Abweichung hat es bei den Fahrt- und Behandlungskosten für die Physiotherapie gegeben. Insoweit hat der Kläger einen Gesamtbetrag in Höhe von 683,00 € geltend gemacht. Nachgewiesen wurden Fahrtkosten in Höhe von 108,00 € (15 Behandlungen x 24 km x 0,30 €) und drei Rechnungen in Höhe von jeweils 145,00 €. Als Gesamtbetrag konnten deshalb nur 543,00 € anerkannt werden.

    Insgesamt ergeben sich folgende Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können:



    Fahrt- und Behandlungskosten Physiotherapie (geltend gemacht: 683,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten: 15 Behandlungen x 24 km x 0,30 € = 108,00 €) (nachgewiesene Behandlungskosten: 3 x 145,00 € = 435,00 €)    543,00 €
    Fahrtkosten Dr. H (geltend gemacht: 125,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten: 19 Behandlungen x 26 km x 0,30 € = 148,20 €)    148,20 €
    Fahrtkosten Dr. M (geltend gemacht: 74,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten: 2 Behandlungen x 122 km x 0,30 € = 73,20 €)    73,20 €
    Fahrt- und Behandlungskosten K Akustiker (geltend gemacht: 63,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten: 4 Behandlungen x 80 km x 0,30 € = 96,00 €)    96,00 €
    Fahrtkosten Dr. S (geltend gemacht: 55,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten: 6 Behandlungen x 46 km x 0,30 € = 82,80 €)    82,80 €
    Fahrtkosten Dr. L (geltend gemacht: 66,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten: 3 Behandlungen x 74 km x 0,30 € = 66,60 €)    66,60 €
    Fahrtkosten B-Klinik Reha (geltend gemacht: 126,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten (hin+ zurück): 420 km x 0,30 € = 126,00 €)    126,00 €
    Fahrtkosten Dipl.-Psychologin N (geltend gemacht: 31,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten: 4 Behandlungen x 26 km x 0,30 € = 31,20 €)    31,20 €
    Fahrtkosten Dr. K (geltend gemacht: 21,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten: 3 Behandlungen x 74 km x 0,30 € = 66,60 €)    66,60 €
    Fahrtkosten Zahnarzt P (geltend gemacht: 27,00 €) (nachgewiesene Fahrtkosten: 2 Behandlungen x 46 km x 0,30 € = 27,60 €)    27,60 €
    Mehrkosten Zahnarzt P (geltend gemacht: 50,00 €) (nachgewiesener Eigenanteil: 50,00 €)    50,00 €
    Mehrkosten Hörgeräte (geltend gemacht: 20,00 €) (nachgewiesener Eigenanteil: 20,00 €)    20,00 €
    ______________
    Summe    1.331,20 €
    b) Nach § 33 Abs. 1 EStG sind nur diejenigen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, die die zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG übersteigen. Gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ist bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 41.931 € bei einem Steuerpflichtigen, der keine Kinder hat und der nach § 32a Abs. 1 EStG besteuert wird, folgende zumutbare Belastung zu berücksichtigen:


    Gesamtbetrag der Einkünfte (GdE)    41.931 €    Prozentsatz vom anteiligen GdE    Ansatz
    Tranche 1    15.340 €    5%    767 €
    Tranche 2    26.591 €    6%    1.595 €
    ______________
    Summe            2.362 €
    Danach ergibt sich, dass die grundsätzlich abzugsfähigen Krankheitskosten in Höhe von 1.332 € nicht ausreichen, um die zumutbare Belastung in Höhe von 2.362 € zu überschreiten. Ein Ansatz der Aufwendungen bei den außergewöhnlichen Belastungen scheidet danach aus.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Der BFH hatte noch keine Gelegenheit, zu einer Fallgestaltung der vorliegenden Art Stellung zu nehmen. Für die zukünftige Anwendung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erscheint es erforderlich, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung die Voraussetzungen der Vorschrift weiter konkretisiert.

    Vorschriften§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG