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  • · Fachbeitrag · ZR-Fachgespräch

    Der Rescue-Zahnarzt ‒ im Einsatz, wenn Abutment, Schraube oder Implantat brechen

    | Dirk Joachim Drews ist ein besonderer Zahnarzt, von denen es in Deutschland nur wenige gibt. Er betreibt seit dem Jahr 2014 einen „Implantat Rescue Service“ und fährt mit speziellen Instrumenten durch die Republik, um defekte Implantate zu retten ( implantatreparatur.de ). Wo Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht weiterkommen, Patienten um ihre aufwendige Suprakonstruktion bangen und alle schon mit Sorge an eine Explantation des Implantats denken, kann Drews oft noch helfen. Im ZR-Fachgespräch hat ihn Dr. med. dent. Kerstin Albrecht nach seinen Tricks befragt. |

     

    Redaktion: Herr Drews, wie unterstützen Sie Zahnärztinnen und Zahnärzte bei frakturierten Implantatverbindungen?

     

    Drews: Frakturen an Implantatverbindungen kommen glücklicherweise selten vor. Das ist auch der Grund, warum Behandler keine Routine damit haben können, solche Situationen zu beherrschen.

     

    Häufig werde ich vom Außendienst des Implantatherstellers kontaktiert, wenn ein erster, eigener Reparaturversuch erfolglos geblieben ist. Viele Fälle kann ich noch retten, weil ich sehr viel Erfahrung und spezielles Instrumentarium habe und weiß, wie ich es am besten einsetze.

     

    Redaktion: Wie stellen sich Frakturen häufig dar?

     

    Drews: In den meisten Fällen ist entweder die Schraube oder das Abutment gebrochen. Ist das Implantat selbst frakturiert oder hat einen Längsriss, ist es verloren und muss explantiert werden. Das ist auf einem Röntgenbild nicht unbedingt zu sehen.

     

    Grundsätzlich kommt es zum Bruch, wenn die mechanische Belastbarkeit überschritten wird. Hohe Kaukräfte, eine ungünstige Implantatposition, okklusale Interferenzen in Kombination mit einer „unkaputtbaren“ Zirkonoxid-Kaufläche und der Verlust der Stützzone der kontralateralen Seite können Kronen und Brücken überlasten. Bei herausnehmbaren Prothesen sind es oft der typische lange Hebelarm eines Prothesensattels und eine ungünstige Anzahl oder Verteilung der Implantate, die die Implantat-Abutment-Verbindung in die Knie zwingen. Okklusalverschraubungen brechen meist, wenn das Unterstützungspolygon fehlt oder zu klein ist.

     

    Redaktion: Wie hoch ist Ihre Erfolgsrate?

     

    Drews: Mit meinem heutigen Erfahrungsstand kann ich bei über 95 Prozent der Fälle, zu denen ich gerufen werde, die Implantatfunktion wiederherstellen. Als Anfänger auf dem Gebiet kann man immerhin nach fundierten Schulungen an den jeweiligen Systemen 75 bis 80 Prozent der Fälle lösen.

     

    Redaktion: Wie gehen Sie bei einer gebrochenen Schraube vor?

     

    Drews: Mein Vorgehen erfolgt immer in drei Phasen, um das Risiko einer Beschädigung des Implantats so gering wie möglich zu halten. Gelingt die Entfernung des Schraubenrestes bereits in Phase eins oder zwei, wird das Implantat selbst gar nicht tangiert.

     

    Zunächst versuche ich in Phase eins mit einer geraden zahnärztlichen Sonde und einem Schallscaler ‒ mit einem ebenfalls Sonden-förmigen PA-Ansatz ‒ das Schraubenfragment zu lösen. Die Schallscaler-Spitze macht ellipsoide Bewegungen, die, anders als die linearen Bewegungen eines Piezo-Ultraschalls, das Ausdrehen des Schraubenrestes begünstigen. So bekomme ich etwa 80 Prozent der Schraubenfragmente in kurzer Zeit heraus.

     

    Die runden, nicht-diamantierten Scaleraufsätze beschädigen die Innengeometrie des Implantats bei kurzzeitiger Anwendung in der Regel nicht, weshalb ich sie den linksdrehenden „Ausdrehhilfen“ mancher Rescue-Sets, die im Implantat wie ein Hobel wirken können, vorziehe. Bei längerer Anwendung tragen allerdings auch diese Instrumente Substanz am Implantat ab, was unbedingt vermieden werden muss. Es gibt keine Möglichkeit, ein beschädigtes Innengewinde eines Implantates zu ersetzen. Dabei sind besonders die koronalen Windungen des Gewindes kritisch, da hier die Schraube greifen muss.

     

    Funktioniert die Entfernung des Schraubenrestes mit dem Schallscaler nicht innerhalb von zwei Minuten, leite ich mit einer zentralen 0,8-Millimeter-Bohrung in den Schraubenkern Phase zwei der Reparatur ein. Für diese und weitere Bohrungen liegen den Reparatur-Kits in der Regel spezielle Führungshülsen bei, die jedoch mit Vorsicht zu genießen sind. Manche Hülsen lassen ein Verkanten im Implantat zu, was ebenso wie ein zu großes Spiel unweigerlich zu einer dezentralen bzw. nicht der Implantatachse folgenden Bohrung führt. Tangiert eine Bohrung den Übergang zwischen Schrauben- und Implantat-Innengewinde entstehen Grate, die ein Ausdrehen der Schraube unmöglich machen.

     

    Mit einem zur Bohrung passenden Ausdrehdorn aus dem Reparatur-Set kann ich nach dem Anbohren weitere 10 Prozent der Fragmente herausdrehen.

     

    Sitzt der Schraubenrest auch dafür zu fest, muss ‒ Phase drei ‒ der Schraubenrest tatsächlich ausgebohrt und das Innengewinde nachgearbeitet werden. Steht dafür kein dediziertes Reparaturset zur Verfügung, muss ich improvisieren. Zum Glück kann ich diese dritte Phase in vielen Fällen vermeiden.

     

    Redaktion: Das hört sich nach Präzisionsarbeit an. Das geht sicher nicht ohne Vergrößerungshilfen.

     

    Drews: Das ist richtig. Ich arbeite immer mit ca. sechsfacher Lupenbrillenvergrößerung und koaxialem LED-Licht. Für schwierige Situationen habe ich aufsetzbare Okulare, die das Gesamtsystem auf eine nahezu zehnfache Vergrößerung bringen.

     

    Redaktion: Was tun Sie, wenn Abutments frakturiert sind?

     

    Drews: Hierbei unterscheide ich danach, ob diese im prothetisch retentiven Teil, auf Höhe der Implantatschulter oder ‒ bei einteiligen Abutments wie einem Locator ‒ am Übergang zum Schraubenanteil gebrochen sind. In letzterem Fall ist das Vorgehen dasselbe wie bei gebrochenen Schrauben.

     

    Kann bei einem supragingival frakturierten Abutment, das noch im Implantat sitzt, die Schraube nicht entfernt werden, weil zum Beispiel der Schraubenkopf beschädigt ist, bohre ich den Schraubenkopf zentral an und benutze wieder einen passenden Ausdrehdorn oder ich entferne den Schraubenkopf ganz, beispielsweise mit einem EKr-Bohrer. Danach kann man das Abutment mit einer Zange vorsichtig abziehen. Den Schraubenbolzen kann ich dann wieder mit dem Schallscaler lösen. Für Anfänger ist es oft schwierig, den Überblick zu behalten und nicht die Implantatschulter zu beschädigen.

     

    Auf Höhe der Implantatschulter gebrochene Abutmentreste lassen sich bei steilen Konusverbindungen unter 10 Grad Konuswinkel meist nur mit einem vom Hersteller speziell dafür entwickelten Reparatur-Instrumentarium, das wie ein Korkenzieher funktioniert, elegant entfernen. Dafür muss ich mit einer Kernlochbohrung zunächst den Schraubenkanal erweitern und das Fragment mit einem Innengewinde versehen. Da hinein drehe ich das dünne Ende einer Gewindestange, deren dickeres Ende ebenfalls ein Gewinde aufweist. Über dieses wird eine Hülse geschraubt, die sich auf dem Implantatrand abstützt ‒ wie ein Korkenzieher auf dem Rand einer Flaschenöffnung. So kann auch ein steiler Konus aus dem Implantat gezogen werden.

     

    Bei Tube-in-Tube- und nicht zu steilen Konusverbindungen kann ich einen gekürzten Ausdrehdorn, den ich passend zum Durchmesser des Schraubenkanals im Abutmentrest gekürzt habe, in dem Fragment festklemmen. Durch Aufrechterhalten der Vorspannung und Ausüben von Druck in einer Joystick-artigen Bewegung lässt sich der Rest des Aufbaus aus dem Implantat entfernen. Wird diese Methode jedoch unsachgemäß, zum Beispiel bei unpassender Indikation oder ohne Kürzen angewandt, kann der Ausdrehdorn brechen oder das Innengewinde des Implantats beschädigt werden.

     

    Leider funktionieren die durchaus sinnvollen „Ausdrückhilfen“ in den Abutments mancher Implantatsysteme im Fall eines Abutmentbruchs nicht, da sich das dafür vorgesehene Gewinde im abgebrochenen Teil des Abutments befindet.

     

    Redaktion: Es wird deutlich, dass es sehr viel Erfahrung braucht, eine frakturierte Implantatverbindung wiederherzustellen. Wer kommt denn für diesen tollen Service auf?

     

    Drews: Ein solches, seltenes Ereignis ist für die behandelnden Zahnärzte und natürlich die betroffenen Patienten der dentale „Super-GAU“. Daher ist die Bereitschaft zu kulanter Unterstützung sowohl bei den Praxen als auch bei Labor- und Industriepartnern meist hoch. Da jeder Fall seine eigene Geschichte hat, kann es hier jedoch keine allgemeingültige Regelung geben.

     

    Nachdem alle Hersteller die Pflicht zur Überwachung eines Medizinprodukts nach seiner Inverkehrbringung (Post Market Surveillance) haben, dokumentieren die Firmen solche Frakturfälle, wenn sie davon Kenntnis erlangen und bieten nach Möglichkeit Support an.

     

    Die Hersteller von Implantaten oder CAD/CAM-Suprakonstruktionen, mit denen ich zusammenarbeite, unterstützen ihre zahnärztlichen Kunden, indem sie mich für die Durchführung der Reparatur vermitteln und beteiligen sich je nach Ausgangssituation auch an den Kosten; in manchen Fällen werden diese sogar vollständig übernommen.

     

    Andere Firmen schicken ihren Kunden allerdings auf Anfrage lediglich ein Reparatur-Kit zu und instruieren ihren Außendienst. Der soll dann am Patientenstuhl dem Zahnarzt sagen, wie die Instrumente anzuwenden sind. Meines Erachtens können dabei die Erfolgsquoten nicht so hoch sein wie die eines routinierten Rescue-Docs.

     

    Dentallabore beteiligen sich meist dann an den Kosten, wenn keine Originalbauteile des Implantatherstellers verarbeitet wurden.

     

    Mein Dienst in den Zahnarztpraxen anderer Kolleginnen und Kollegen ist eine konsiliarische Tätigkeit ohne eigenes Liquidationsrecht nach § 8 Abs. 4 und § 9 der Musterberufsordnung (MBO). Geht meine Kostennote an die Hauszahnarztpraxis der Patienten, kann diese nach vorheriger Vereinbarung die tatsächlich entstandenen Praxiskosten den Patienten weiterbelasten. Über einen entsprechenden Kostenvoranschlag lässt sich im Vorfeld abklären, ob die Kosten von einer privaten Versicherung oder Zusatzversicherung übernommen werden.

     

    Auch für den Patienten ist es in jedem Fall günstiger, einen Anteil an der Reparatur zu tragen, als die Kosten für eine Explantation, ggf. Augmentation und Neu-Implantation sowie eine Neuversorgung aufbringen zu müssen ‒ von den daraus resultierenden Unannehmlichkeiten und Wartezeiten mit provisorischer Versorgung ganz abgesehen.

     

    Kann die Implantatreparatur in einer Stützpunktpraxis durchgeführt werden, entfallen die oft nicht unerheblichen Reisekosten. Das lässt sich jedoch in der Regel nur dann einrichten, wenn der Patient in der Nähe wohnt.

     

    Herr Drews, vielen Dank für das Gespräch!

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kostenvoranschlag für privat versicherte Patienten ‒ was kann und was sollte enthalten sein? (PA 03/2024, Seite 13; Abruf-Nr. 49822569 unter iww.de/pa eingeben).
    • Implantatbehandlung bei einem GKV-Patienten: Die Abrechnung der Beratung und Planung (PA 07/2017, Seite 13; Abruf-Nr. 44647729 unter iww.de/pa eingeben).
    • Die wesentlichen Regelungsinhalte einer Honorarvereinbarung ‒ mit Muster (AAZ 03/2019, Seite 9; Abruf-Nr. 45699707 unter iww.de/aaz eingeben).
    • Häufige Fragen zur Honorarvereinbarung: Was ist zulässig, wann wird es problematisch? (AAZ 04/2019, Seite 12; Abruf-Nr. 45799292 unter iww.de/aaz eingeben).
    Quelle: Ausgabe 06 / 2024 | Seite 6 | ID 50013277