19.11.2025 · IWW-Abrufnummer 251235
Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 11.06.2025 – 4 U 88/25
1. Für einen Unfall im Sinne der AKB 2015 ist eine Einwirkung von außen erforderlich. Der Gegenstand, von dem die auf das Fahrzeug wirkende mechanische Gewalt ausgeht, darf nicht Teil des Fahrzeugs selbst sein.
2. Platzt ein schon vor Fahrtantritt bestehender Reifen bei hoher Geschwindigkeit ohne Einwirkung von außen, liegt daher kein versichertes Unfallereignis vor.
3. Der in den AKB enthaltene Ausschluss des Versicherungsschutzes für beschädigte und zerstörte Reifen ist nicht wegen Intransparenz unwirksam.
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 11.06.2025, Az. 4 U 88/25
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.07.2025 wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert auf 5.748,19 € festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus der zwischen den Parteien bestehenden Vollkaskoversicherung für das Fahrzeug Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen x-xx 000 wegen des Schadensereignisses vom 01.04.2021 kein Anspruch auf Leistung zu. Dem Kläger ist der Beweis für ein versichertes Ereignis nicht gelungen.
Gemäß Ziffer A.2.2.2.2 AKB (2015) der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungbedingungen sind Schäden am Fahrzeug durch Unfall versichert. Dort heißt es u. a.:
... Ein Unfall ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Keine Unfallschäden sind deshalb insbesondere:
Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einem Bremsvorgang haben, z. B. Schäden an der Bremsanlage oder an den Reifen.
Schäden am Fahrzeug, die ausschließlich aufgrund eines Betriebsvorgangs eintreten, z. B. durch falsches Bedienen, falsches Betanken oder verrutschende Ladung.
Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben....
Ausweislich der Versicherungsbedingungen mit den Beispielen wird für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass für die Annahme eines Unfalls eine Einwirkung "von außen" notwendig ist und dass der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug wirkende mechanische Gewalt ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeugs selbst sein darf (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2020 - 7 U 57/20 - juris). Durch die beispielhafte, aber nicht abschließende ("insbesondere") Aufzählung in A.2.2.2.2 wird deutlich aufgezeigt, dass das Fehlen der erforderlichen Einwirkung von außen wesentlich für Betriebsschäden ist, die nicht unter Unfallschäden fallen. Aus dem Umstand, dass nur einzelne Betriebsschäden ausdrücklich genannt sind, kann ein verständiger Versicherungsnehmer nicht schließen, dass nur die genannten Ursachen als Betriebsschäden gelten sollen. Das ist bereits durch die einleitende Formulierung "z. B." ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2020 - 7 U 57/20 - juris).
Der Kläger, der als Versicherungsnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Unfalles trägt, hat diesen Beweis nicht erbringen können. Das Landgericht hat sich nach dessen Anhörung, der Vernehmung von Zeugen und der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht davon überzeugen können, dass ein von außen wirkendes Ereignis zu dem Platzen des rechten Hinterreifens am versicherten Fahrzeug am 01.04.2021 bei der Fahrt auf der A 4 zu den in Rede stehenden Beschädigungen geführt hat. Dies ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat ist gemäß § 529 Abs.1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dies ist hier aber nicht der Fall. Wegen der Einzelheiten der Beweiswürdigung wird auf das Urteil des Landgerichtes Bezug genommen.
Wenn ein Reifen während der Fahrt z. B. durch einen eingedrungenen Fremdkörper platzt, handelt es sich um ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis, mithin um einen Unfall im Sinne der üblichen Bedingungen in der Vollkaskoversicherung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Fremdkörper auf der Fahrbahn liegt und vom Fahrzeug überfahren wird, oder ob sich der Fremdkörper schon vorher im Reifen befand und erst später durch Einwirkungen während der Fahrt das Platzen des Reifens verursacht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.12.2020 - 9 U 124/18 - juris). Kein versichertes Unfallereignis liegt hingegen vor, wenn ein schon vor Fahrtantritt bestehender Reifenschaden die alleinige Ursache dafür ist, dass der Reifen bei einer normalen Fahrt auf der Autobahn plötzlich platzt. Denn in einem solchen Fall beruht der Schaden nicht auf einem Ereignis, das unmittelbar von außen mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkt, sondern allein auf einer "inneren" Ursache durch ein schadhaftes Fahrzeugteil (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.12.2020 - 9 U 124/18 - juris). Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird, sind Betriebsschäden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.11.2016 - 8 U 934/16 - juris: Überfahren einer Bodenwelle ist kein Unfall). Auch das Überfahren einer Fahrbahnschwelle stellt keinen Unfall dar (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2020 - 7 U 57/20 - juris).
Weder der Kläger noch die Zeugin L...... - seine Beifahrerin - haben einen Gegenstand auf der Fahrbahn gesehen, der die von ihnen geschilderten "Rumpler" vor dem Knall verursacht haben könnte. Der Kläger hat angegeben, dass er auf der mittleren Fahrspur gefahren sei und nach einem Überholvorgang auf die rechte Spur habe wechseln wollen. Er habe zwei "Polterer" auf der rechten Seite seines Fahrzeuges vorne und hinten wahrgenommen und dann gesehen, dass der hintere rechte Reifen geplatzt sei. Die Zeugin L...... hat geschildert, dass es zweimal gekracht habe und das Auto ins Schleudern geraten sei. Sie habe auf die Straße gesehen, aber nicht erkannt, ob etwas auf der Fahrbahn gelegen habe. Letztendlich konnten weder der Kläger noch die Zeugin L...... bestätigen, dass der Kläger einen auf der Fahrbahn liegenden Gegenstand überfahren hat oder in ein ungewöhnlich großes Schlagloch gefahren ist, mit dem auf der Autobahn nicht zu rechnen war. Die von dem Kläger und der Zeugin L...... geschilderten Geräusche sind noch kein Beweis für das Überfahren eines auf der Fahrbahn liegenden Gegenstandes oder für ein ungewöhnlich großes Schlagloch. Zutreffend hat das Landgericht hiernach angenommen, dass nicht aufzuklären ist, ob die Geräusche von dem Überfahren eines Gegenstandes oder den sich ablösenden Reifenteilen hergerührt haben.
Der Zeuge R......, der mit seinem Fahrzeug auf der linken Spur ca. 60 m hinter dem Kläger gefahren ist, hat nach seiner Aussage nichts gesehen, was auf einen Unfall hingedeutet hätte, insbesondere keine Gegenstände auf der Fahrbahn. Er habe rechts Qualm am Auto gesehen, der Rauch sei stärker geworden und wenige Sekunden später habe es geknallt und es seien Teile durch die Luft geflogen.
Nach den Feststellungen in den Gutachten der Sachverständigen R...... und G...... ist nicht bewiesen, dass der Kläger einen auf der Fahrbahn liegenden Gegenstand überfahren hat. Es ist hiernach ebenso möglich, dass schon das Überfahren einer Fahrbahnunebenheit, wie z. B. einer Dehnungsfuge oder einer Bodenwelle, mit der im normalen Fahrbetrieb zu rechnen ist, das Platzen des vorgeschädigten Reifens herbeigeführt hat. Der Sachverständige G...... hat in seinem Gutachten vom 24.06.2024 erhebliche Vorschäden an dem geplatzten Reifen festgestellt. Dieser sei im Fahrbetrieb überlastet worden. Eindeutige Merkmale von Fahren mit Unterluftdruck seien vorhanden und auf einen Luftverlust in Folge des Eindringens eines Fremdkörpers zurückzuführen, der jedoch vor dem Schadensereignis (fehlerhaft) repariert worden sei (S. 20, Bl. 196). Ursache für den Spontanausfall des Reifens zum Zeitpunkt des Schadensereignisses seien die Vorschäden im Reifen, entstanden durch eine fehlerhaft ausgeführte Reparatur im Laufflächenbereich (S. 21, Bl. 197). Das auslösende Moment für den Spontanausfall des Reifens zum Zeitpunkt des Unfallereignisses sei dessen schlagartige Verformung im Hauptschadensbereich auf der Reifenschulter 2 (S. 23, Bl. 199). Nach Einschätzung des Sachverständigen G...... ist das Hinterrad über einen Gegenstand oder ein Hindernis auf der Fahrbahn gerollt, bzw. hat eine Fahrbahnunebenheit - Bodenwelle, Dehnungsfuge etc. - überfahren. Diese schockartige Stoßbelastung habe zu dem Aufbrechen des bereits stark vorgeschädigten Reifens geführt. Auch ohne diesen Anstoß wäre der Reifen auf Grund seiner starken Vorschädigung vor Erreichen seiner Endlaufleistung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Fahrbetrieb ausgefallen. Die Vorschädigung sei schadensursächlich, und der Anstoß beim Überrollen eines Hindernisses sei als schadensbegünstigend anzusehen.
Die Sachverständigen konnten im Ergebnis nicht feststellen, dass die Ursache für den Schaden das Überfahren eines Gegenstandes oder eine Fahrbahnunebenheit war. Dies geht zu Lasten des beweisbelasteten Klägers. Denn das Überfahren einer Fahrbahnunebenheit ist kein von außen einwirkendes Ereignis. Wie bereits ausgeführt sind Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, Betriebsschäden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.11.2016 - 8 U 934/16 - juris).
2.
Zu Recht hat das Landgericht auch Ansprüche aus Ziffer A.2.9.3. AKB verneint. Dort heißt es:
Kein Versicherungsschutz besteht für beschädigte oder zerstörte Reifen. Versicherungsschutz für Reifenschäden besteht jedoch, wenn durch dasselbe Ereignis gleichzeitig andere unter den Schutz der Kaskoversicherung fallende Schäden am Fahrzeug verursacht wurden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Allgemeine Geschäftsbedingung nicht intransparent, § 307 BGB. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2024 - IV ZR 42/24 - juris). Aus dem Wortlaut der Klausel ergibt sich mit ausreichender Klarheit, dass Schäden an Reifen grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Hiervon wird in Satz 2 eine Ausnahme formuliert. Wenn ein Ereignis unter den Schutz der Kaskoversicherung fällt - also ein Unfall oder Brand im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt - und dieses Ereignis Beschädigungen am Fahrzeug und am Reifen verursacht, dann tritt die Kaskoversicherung ein (vgl. hierzu Klimke in Prölss/Marin, VVG, 32. Aufl., 350 AKB A.2.9.3, Rn. 76 ff.).
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einem Ereignis, das unter den Schutz der Kaskoversicherung fällt. Dem Kläger ist der Beweis für ein Unfallereignis nicht gelungen. Werden durch Teile eines platzenden Reifens der Radkasten oder andere Fahrzeugteile beschädigt, dann liegt keine Einwirkung von außen vor (vgl. hierzu AG Düren, RuS 2008, 12 - zitiert nach juris; vgl. Klimke a.a.O.). Wenn der Reifenschaden das Fahrzeug beschädigt, liegt keine Gleichzeitigkeit vor (Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 2017, A.2 AKB, Rn. 1027).
Die Annahme des Klägers, dass die Karosserieschäden auch durch das Aufsetzen des Fahrzeuges auf die Fahrbahn entstanden sein könnten, widerspricht schon seinem Vorbringen in der Klageschrift. Dort hat er zum Sachverhalt vorgetragen, dass es beim Fahrspurwechsel zwei starke Poltergeräusche gegeben habe, wobei das klägerische Fahrzeug mit den beiden rechten Rädern über ein für ihn zunächst nicht erkennbares Hindernis gefahren sei. Anschließend habe es hinten rechts einen lauten Knall gegeben, wobei der rechte Hinterreifen geplatzt sei und es dabei nachfolgend zu Beschädigungen an seinem Fahrzeug gekommen sei. Unabhängig von der Frage, ob der neue Vortrag im Berufungsverfahren gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre, ist es Sache des Klägers zu beweisen, dass die Beschädigungen der Karosserie durch ein Aufsetzen auf die Fahrbahn entstanden sind. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Schließlich widerspricht der nunmehr geschilderte Sachverhalt auch den Angaben des Zeugen R......, der zuerst Qualm und Rauch gesehen hat und erst dann einen Knall wahrgenommen haben will, wobei Teile durch die Luft geflogen seien.
3.
Der Kläger sollte die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen, die zwei Gerichtsgebühren erspart.
Tenor:
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.07.2025 wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert auf 5.748,19 € festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus der zwischen den Parteien bestehenden Vollkaskoversicherung für das Fahrzeug Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen x-xx 000 wegen des Schadensereignisses vom 01.04.2021 kein Anspruch auf Leistung zu. Dem Kläger ist der Beweis für ein versichertes Ereignis nicht gelungen.
Gemäß Ziffer A.2.2.2.2 AKB (2015) der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungbedingungen sind Schäden am Fahrzeug durch Unfall versichert. Dort heißt es u. a.:
... Ein Unfall ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Keine Unfallschäden sind deshalb insbesondere:
Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einem Bremsvorgang haben, z. B. Schäden an der Bremsanlage oder an den Reifen.
Schäden am Fahrzeug, die ausschließlich aufgrund eines Betriebsvorgangs eintreten, z. B. durch falsches Bedienen, falsches Betanken oder verrutschende Ladung.
Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben....
Ausweislich der Versicherungsbedingungen mit den Beispielen wird für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass für die Annahme eines Unfalls eine Einwirkung "von außen" notwendig ist und dass der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug wirkende mechanische Gewalt ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeugs selbst sein darf (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2020 - 7 U 57/20 - juris). Durch die beispielhafte, aber nicht abschließende ("insbesondere") Aufzählung in A.2.2.2.2 wird deutlich aufgezeigt, dass das Fehlen der erforderlichen Einwirkung von außen wesentlich für Betriebsschäden ist, die nicht unter Unfallschäden fallen. Aus dem Umstand, dass nur einzelne Betriebsschäden ausdrücklich genannt sind, kann ein verständiger Versicherungsnehmer nicht schließen, dass nur die genannten Ursachen als Betriebsschäden gelten sollen. Das ist bereits durch die einleitende Formulierung "z. B." ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2020 - 7 U 57/20 - juris).
Der Kläger, der als Versicherungsnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Unfalles trägt, hat diesen Beweis nicht erbringen können. Das Landgericht hat sich nach dessen Anhörung, der Vernehmung von Zeugen und der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht davon überzeugen können, dass ein von außen wirkendes Ereignis zu dem Platzen des rechten Hinterreifens am versicherten Fahrzeug am 01.04.2021 bei der Fahrt auf der A 4 zu den in Rede stehenden Beschädigungen geführt hat. Dies ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat ist gemäß § 529 Abs.1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dies ist hier aber nicht der Fall. Wegen der Einzelheiten der Beweiswürdigung wird auf das Urteil des Landgerichtes Bezug genommen.
Wenn ein Reifen während der Fahrt z. B. durch einen eingedrungenen Fremdkörper platzt, handelt es sich um ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis, mithin um einen Unfall im Sinne der üblichen Bedingungen in der Vollkaskoversicherung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Fremdkörper auf der Fahrbahn liegt und vom Fahrzeug überfahren wird, oder ob sich der Fremdkörper schon vorher im Reifen befand und erst später durch Einwirkungen während der Fahrt das Platzen des Reifens verursacht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.12.2020 - 9 U 124/18 - juris). Kein versichertes Unfallereignis liegt hingegen vor, wenn ein schon vor Fahrtantritt bestehender Reifenschaden die alleinige Ursache dafür ist, dass der Reifen bei einer normalen Fahrt auf der Autobahn plötzlich platzt. Denn in einem solchen Fall beruht der Schaden nicht auf einem Ereignis, das unmittelbar von außen mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkt, sondern allein auf einer "inneren" Ursache durch ein schadhaftes Fahrzeugteil (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.12.2020 - 9 U 124/18 - juris). Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird, sind Betriebsschäden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.11.2016 - 8 U 934/16 - juris: Überfahren einer Bodenwelle ist kein Unfall). Auch das Überfahren einer Fahrbahnschwelle stellt keinen Unfall dar (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2020 - 7 U 57/20 - juris).
Weder der Kläger noch die Zeugin L...... - seine Beifahrerin - haben einen Gegenstand auf der Fahrbahn gesehen, der die von ihnen geschilderten "Rumpler" vor dem Knall verursacht haben könnte. Der Kläger hat angegeben, dass er auf der mittleren Fahrspur gefahren sei und nach einem Überholvorgang auf die rechte Spur habe wechseln wollen. Er habe zwei "Polterer" auf der rechten Seite seines Fahrzeuges vorne und hinten wahrgenommen und dann gesehen, dass der hintere rechte Reifen geplatzt sei. Die Zeugin L...... hat geschildert, dass es zweimal gekracht habe und das Auto ins Schleudern geraten sei. Sie habe auf die Straße gesehen, aber nicht erkannt, ob etwas auf der Fahrbahn gelegen habe. Letztendlich konnten weder der Kläger noch die Zeugin L...... bestätigen, dass der Kläger einen auf der Fahrbahn liegenden Gegenstand überfahren hat oder in ein ungewöhnlich großes Schlagloch gefahren ist, mit dem auf der Autobahn nicht zu rechnen war. Die von dem Kläger und der Zeugin L...... geschilderten Geräusche sind noch kein Beweis für das Überfahren eines auf der Fahrbahn liegenden Gegenstandes oder für ein ungewöhnlich großes Schlagloch. Zutreffend hat das Landgericht hiernach angenommen, dass nicht aufzuklären ist, ob die Geräusche von dem Überfahren eines Gegenstandes oder den sich ablösenden Reifenteilen hergerührt haben.
Der Zeuge R......, der mit seinem Fahrzeug auf der linken Spur ca. 60 m hinter dem Kläger gefahren ist, hat nach seiner Aussage nichts gesehen, was auf einen Unfall hingedeutet hätte, insbesondere keine Gegenstände auf der Fahrbahn. Er habe rechts Qualm am Auto gesehen, der Rauch sei stärker geworden und wenige Sekunden später habe es geknallt und es seien Teile durch die Luft geflogen.
Nach den Feststellungen in den Gutachten der Sachverständigen R...... und G...... ist nicht bewiesen, dass der Kläger einen auf der Fahrbahn liegenden Gegenstand überfahren hat. Es ist hiernach ebenso möglich, dass schon das Überfahren einer Fahrbahnunebenheit, wie z. B. einer Dehnungsfuge oder einer Bodenwelle, mit der im normalen Fahrbetrieb zu rechnen ist, das Platzen des vorgeschädigten Reifens herbeigeführt hat. Der Sachverständige G...... hat in seinem Gutachten vom 24.06.2024 erhebliche Vorschäden an dem geplatzten Reifen festgestellt. Dieser sei im Fahrbetrieb überlastet worden. Eindeutige Merkmale von Fahren mit Unterluftdruck seien vorhanden und auf einen Luftverlust in Folge des Eindringens eines Fremdkörpers zurückzuführen, der jedoch vor dem Schadensereignis (fehlerhaft) repariert worden sei (S. 20, Bl. 196). Ursache für den Spontanausfall des Reifens zum Zeitpunkt des Schadensereignisses seien die Vorschäden im Reifen, entstanden durch eine fehlerhaft ausgeführte Reparatur im Laufflächenbereich (S. 21, Bl. 197). Das auslösende Moment für den Spontanausfall des Reifens zum Zeitpunkt des Unfallereignisses sei dessen schlagartige Verformung im Hauptschadensbereich auf der Reifenschulter 2 (S. 23, Bl. 199). Nach Einschätzung des Sachverständigen G...... ist das Hinterrad über einen Gegenstand oder ein Hindernis auf der Fahrbahn gerollt, bzw. hat eine Fahrbahnunebenheit - Bodenwelle, Dehnungsfuge etc. - überfahren. Diese schockartige Stoßbelastung habe zu dem Aufbrechen des bereits stark vorgeschädigten Reifens geführt. Auch ohne diesen Anstoß wäre der Reifen auf Grund seiner starken Vorschädigung vor Erreichen seiner Endlaufleistung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Fahrbetrieb ausgefallen. Die Vorschädigung sei schadensursächlich, und der Anstoß beim Überrollen eines Hindernisses sei als schadensbegünstigend anzusehen.
Die Sachverständigen konnten im Ergebnis nicht feststellen, dass die Ursache für den Schaden das Überfahren eines Gegenstandes oder eine Fahrbahnunebenheit war. Dies geht zu Lasten des beweisbelasteten Klägers. Denn das Überfahren einer Fahrbahnunebenheit ist kein von außen einwirkendes Ereignis. Wie bereits ausgeführt sind Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, Betriebsschäden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.11.2016 - 8 U 934/16 - juris).
2.
Zu Recht hat das Landgericht auch Ansprüche aus Ziffer A.2.9.3. AKB verneint. Dort heißt es:
Kein Versicherungsschutz besteht für beschädigte oder zerstörte Reifen. Versicherungsschutz für Reifenschäden besteht jedoch, wenn durch dasselbe Ereignis gleichzeitig andere unter den Schutz der Kaskoversicherung fallende Schäden am Fahrzeug verursacht wurden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Allgemeine Geschäftsbedingung nicht intransparent, § 307 BGB. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2024 - IV ZR 42/24 - juris). Aus dem Wortlaut der Klausel ergibt sich mit ausreichender Klarheit, dass Schäden an Reifen grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Hiervon wird in Satz 2 eine Ausnahme formuliert. Wenn ein Ereignis unter den Schutz der Kaskoversicherung fällt - also ein Unfall oder Brand im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt - und dieses Ereignis Beschädigungen am Fahrzeug und am Reifen verursacht, dann tritt die Kaskoversicherung ein (vgl. hierzu Klimke in Prölss/Marin, VVG, 32. Aufl., 350 AKB A.2.9.3, Rn. 76 ff.).
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einem Ereignis, das unter den Schutz der Kaskoversicherung fällt. Dem Kläger ist der Beweis für ein Unfallereignis nicht gelungen. Werden durch Teile eines platzenden Reifens der Radkasten oder andere Fahrzeugteile beschädigt, dann liegt keine Einwirkung von außen vor (vgl. hierzu AG Düren, RuS 2008, 12 - zitiert nach juris; vgl. Klimke a.a.O.). Wenn der Reifenschaden das Fahrzeug beschädigt, liegt keine Gleichzeitigkeit vor (Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 2017, A.2 AKB, Rn. 1027).
Die Annahme des Klägers, dass die Karosserieschäden auch durch das Aufsetzen des Fahrzeuges auf die Fahrbahn entstanden sein könnten, widerspricht schon seinem Vorbringen in der Klageschrift. Dort hat er zum Sachverhalt vorgetragen, dass es beim Fahrspurwechsel zwei starke Poltergeräusche gegeben habe, wobei das klägerische Fahrzeug mit den beiden rechten Rädern über ein für ihn zunächst nicht erkennbares Hindernis gefahren sei. Anschließend habe es hinten rechts einen lauten Knall gegeben, wobei der rechte Hinterreifen geplatzt sei und es dabei nachfolgend zu Beschädigungen an seinem Fahrzeug gekommen sei. Unabhängig von der Frage, ob der neue Vortrag im Berufungsverfahren gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre, ist es Sache des Klägers zu beweisen, dass die Beschädigungen der Karosserie durch ein Aufsetzen auf die Fahrbahn entstanden sind. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Schließlich widerspricht der nunmehr geschilderte Sachverhalt auch den Angaben des Zeugen R......, der zuerst Qualm und Rauch gesehen hat und erst dann einen Knall wahrgenommen haben will, wobei Teile durch die Luft geflogen seien.
3.
Der Kläger sollte die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen, die zwei Gerichtsgebühren erspart.
Vorschriften§ 307 BGB