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  • 02.04.2025 · IWW-Abrufnummer 247393

    Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 30.01.2025 – 2 U 143/23

    Unwirksam ist eine Klausel, die in einem als Altersvorsorgevertrag zertifizierten fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag im Falle geänderter Rechnungsgrundlagen zur Kürzung des Rentenfaktors berechtigt, wenn sie keine Rückanpassung des Rentenfaktors für den Fall sich bessernder Rechnungsgrundlagen vorsieht und der Vertrag dem Versicherungsnehmer auch keine hinreichende Möglichkeit bietet, auf die Rentenabsenkung durch höhere Einzahlungen zu reagieren.


    Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 30.01.2025, Az. 2 U 143/23

    Tenor:

    I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.07.2023 wie folgt geändert:

    1. Der Beklagten wird untersagt, sich gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB im Zusammenhang mit fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen der A. RiesterRente auf die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berufen oder in sonstiger Weise inhaltsgleiche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden:

    "Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 a Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 € Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können."

    2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

    3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 243,51 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.10.2022 zu bezahlen.

    II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

    III. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziff. I.1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    IV. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe
    A

    Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, verlangt von der Beklagten, es zu unterlassen, sich auf eine Anpassungsklausel in der fondsgebundenen Riester-Rentenversicherung zu berufen.

    Wegen des Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts verwiesen. Zusammenfassend und ergänzend: Die Beklagte bietet Rentenversicherungen an und verwendete zwischen Juni und November 2006 "Allgemeine Versicherungsbedingungen für den Baustein zur fondsgebundenen Altersvorsorge: FondsRente (,RiesterRente mit Fonds') E 202" (im Folgenden: AVB) mit folgender Klausel (vgl. Anlage K 2):

    "§ 1 Was ist versichert? ...

    (3) Im Versicherungsschein nennen wir Ihnen den Rentenfaktor; er gibt die Höhe der monatlichen Rente an, die - basierend auf dem Rechnungszins von 2,75 % und den Annahmen der Lebenserwartung nach der vom Geschlecht unabhängigen unternehmenseigenen Sterbetafel AZUNI 2005 R - für je 10.000 € Policenwert gezahlt wird.

    Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 a Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 € Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können. Zu diesem Zweck können wir für die Berechnung des Rentenfaktors als Rechnungsgrundlagen

    bei einer unerwartet starken Erhöhung der Lebenserwartung: die Sterbetafel

    bei einer nachhaltigen Senkung der Rendite der Kapitalanlagen: den Rechnungszins

    anwenden, die nach Maßgabe der aktuell gültigen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen und der offiziellen Stellungnahmen der Deutschen Aktuarvereinigung e. V. (DAV) als gebotene Rechnungsgrundlagen für die Berechnung der Deckungsrückstellung für neu abzuschließende Rentenversicherungen gelten. Dieses Recht steht uns nur vor dem vereinbarten Rentenbeginn zu; wir dürfen es nur mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders ausüben, der die Berechnungsgrundlagen und sonstigen Voraussetzungen zu überprüfen und deren Angemessenheit zu bestätigen hat. Über die Höhe des neuen Rentenfaktors werden wir Sie unverzüglich informieren."

    Die Beklagte übte dieses Recht gegenüber einem Versicherungsnehmer aus, dessen Rente ab dem Jahr 2041 ausbezahlt werden soll und mit dem ursprünglich ein Rentenfaktor von 38,74 Euro vereinbart war. Im Januar 2017 reduzierte die Beklagte den Rentenfaktor auf der Basis eines Rechnungszinses von 1,75 % auf 33,39 Euro und im Januar 2021 auf der Basis eines Rechnungszinses von 1,25 % auf 30,84 Euro. Die Beklagte vertrat die Auffassung, sie sei nicht nur zur Senkung des Rentenfaktors zum Zeitpunkt des Renteneintritts befugt, sondern bereits vor dem vereinbarten Rentenbeginn (Anlage K 3).

    Der Kläger hat die Beklagte vorgerichtlich dazu aufgefordert zu erklären, dass sie sich nicht auf die Klausel berufe. Der Kläger begründete seine Auffassung damit, die Klausel benachteilige den Kunden unangemessen, weil sie ausschließlich das Unternehmen zur Herabsetzung des Rentenfaktors berechtige, nicht aber dazu verpflichte, den Rentenfaktor bei einer Verbesserung der Umstände wieder zu erhöhen. Die Beklagte wies die Abmahnung als unbegründet zurück. Im Klageverfahren berief sie sich darauf, die Anpassung des Rentenfaktors sei erforderlich gewesen, um eine dauerhafte Sicherung der künftigen Rentenzahlungen der betroffenen Verträge zu gewährleisten. Sie habe die betroffenen Versicherungsnehmer angeschrieben und ihnen gegenüber rechtsverbindlich erklärt, den Rentenfaktor wieder bis zur maximalen Höhe vor der Anpassung zu erhöhen, sollte sich bei Rentenbeginn mit den dann maßgebenden Rechnungsgrundlagen ein besserer Rentenfaktor ergeben (Anlagen B 1 und B 2). Dass sich dies nicht aus der Klausel selbst ergebe, weiche nicht vom gesetzlichen Leitbild des § 163 VVG ab, der ebenfalls keine Rückanpassung vorsehe.

    Mit seinem in VersR 2023, 1215 veröffentlichten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Klausel sei nicht wegen eines Verstoßes gegen §§ 171, 163 VVG unwirksam. Die Bestimmung weiche nicht von § 163 VVG ab, denn sie regele nicht den Fall einer einseitigen Prämienerhöhung durch den Versicherer, sondern gebe diesem eine Befugnis zur Herabsetzung der vereinbarten Leistung. Die Regelung eines solchen aliuds sei zulässig. Die Regelung benachteilige den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen. Eine unangemessene Benachteiligung ergebe sich nicht daraus, dass die Klausel eine automatische spiegelbildliche Heraufsetzung des Rentenfaktors bei erneut geänderten Voraussetzungen nicht vorsehe. Eine entsprechende Anpassungsmöglichkeit sehe auch § 163 VVG nicht vor. Ein solcher Anspruch des Versicherungsnehmers sei auch nicht nach Sinn und Zweck des Versicherungsvertrages geboten. Es handele sich um langlaufende Verträge, die für den Versicherer nicht kündbar seien. Der Versicherer müsse daher bei der Kalkulation der Prämie Vorsorge treffen. Eine unangemessene Benachteiligung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beklagte dem Versicherungsnehmer statt einer Absenkung des Rentenfaktors nicht auch die Option einer Erhöhung der Prämien anbiete. Müsste die Beklagte trotz niedrigeren Rechnungszinses aus einem nunmehr erhöhten Policenwert eine Rente nach dem ursprünglich vereinbarten Rentenfaktor zahlen, würde dies die Problematik eines etwaigen Defizits bei der Beklagten erhöhen. Ferner habe der Versicherungsnehmer nach § 14 AVB das Recht auf eine freiwillige Zusatzleistung, was seine Nachteile ausgleiche. Die Begrenzung dieses Rechts auf den förderfähigen Höchstbetrag sei vom Versicherungsnehmer hinzunehmen.

    Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. § 163 VVG sei gemäß § 171 Satz 1 VVG halbzwingend, so dass von den entsprechenden Vorgaben zum Nachteil des Verbrauchers nicht abgewichen werden dürfe. Das Gesetz billige dem Versicherer lediglich eine Berechtigung zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie zu. Ferner entziehe die Klausel dem Verbraucher das ihm gem. § 163 VVG zustehende Wahlrecht zwischen Prämienerhöhung und Neufestsetzung der Prämie. Die Klausel sehe auch nicht, wie geboten, vor, dass der Rentenfaktor bei veränderten Parametern wieder erhöht werde. Die Klausel erlaube es der Beklagten, es beim geringeren Rentenfaktor zu belassen, selbst wenn sich die Parameter wieder ändern.

    Der Kläger beantragt:

    Auf die Berufung der Klägerin vom 19.07.2023 wird das am 10.07.2023 verkündete Urteil der 53. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart - Az.: 53 0 214/22 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:

    I.
    Der Beklagten wird untersagt, sich gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB auf die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen der A. RiesterRente zu berufen:

    Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 a Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 € Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können.

    II.
    Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

    III.
    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 243,51 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Die Klausel regele etwas anderes als § 163 VVG, weil sie nicht die Neufestsetzung der Prämie betreffe. Auch § 163 VVG sehe nicht vor, dass eine Rückanpassung in Folge sich verbessernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen zu erfolgen habe. Die in diesem Sinne in den Bereichen Geldanlage und Darlehensgewährung entwickelte Rechtsprechung sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Im Übrigen habe die Beklagte verbindlich die Wiederanhebung für den Fall zugesagt, dass sich zum Rentenbeginn aus den dann maßgebenden Rechnungsgrundlagen ein höherer Rentenfaktor ergäbe. Schließlich habe der Verbraucher die Möglichkeit für freiwillige Prämienzahlungen gem. § 14 AVB.

    Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat keine Stellungnahme abgegeben.

    B

    Die zulässige Berufung ist begründet.

    I.

    Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG klagebefugt, was zwischen den Parteien nicht im Streit steht.

    II.

    Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat aus § 1 UKlaG einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Klausel. Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet, kann demnach auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

    1.

    Dabei kann offenbleiben, ob die Klausel wegen einer Abweichung von § 163 VVG unwirksam ist, die darin begründet wäre, dass die Klausel als primäre Rechtsfolge nicht die Neufestsetzung der vereinbarten Prämie vorsieht, sondern die Herabsetzung der Versicherungsleistung (monatliche Rente), wodurch der Versicherungsnehmer benachteiligt wäre, wenn ihm das Klauselwerk keine hinreichende Möglichkeit einräumte, die vereinbarte Rente durch zusätzliche Einzahlungen zu erreichen.

    Zu einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB führen insbesondere Vertragsklauseln, die von halbzwingenden Vorschriften des Versicherungsvertragsrechts zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweichen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2022 - IV ZR 253/20, juris Rn. 32; BGH, Urteil vom 2. April 2014 - IV ZR 58/13, juris Rn. 22; BGH, Beschluss vom 18. März 2009 - IV ZR 298/06, juris Rn. 8; vgl. auch Looschelders in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, Rn. 10 vor § 307 BGB). § 171 VVG bestimmt, dass von § 163 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers, der versicherten Person oder des Eintrittsberechtigten abgewichen werden kann. § 163 VVG ist gem. Artikel 1 Absatz 1 EGVVG seit dem 01. Januar 2009 auch auf die im Jahr 2006 geschlossenen Verträge anwendbar.

    a)

    § 163 Absatz 1 Satz 1 VVG bestimmt zur Lebensversicherung, dass der Versicherer zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt ist, wenn (1.) sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämie geändert hat, (2.) die nach den berichtigten Rechnungsgrundlagen neu festgesetzte Prämie angemessen und erforderlich ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu gewährleisten, und (3.) ein unabhängiger Treuhänder die Rechnungsgrundlagen und die vorgenannten Voraussetzungen überprüft und bestätigt hat. Eine Neufestsetzung der Prämie ist insoweit ausgeschlossen, als die Versicherungsleistungen zum Zeitpunkt der Erst- oder Neukalkulation unzureichend kalkuliert waren und ein ordentlicher und gewissenhafter Aktuar dies insbesondere anhand der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren statistischen Kalkulationsgrundlagen hätte erkennen müssen (§ 163 Absatz 1 Satz 2 VVG). Der Versicherungsnehmer kann verlangen, dass an Stelle einer Erhöhung der Prämie die Versicherungsleistung entsprechend herabgesetzt wird (§ 163 Absatz 2 Satz 1 VVG). Bei einer prämienfreien Versicherung ist der Versicherer unter den genannten Voraussetzungen zur Herabsetzung der Versicherungsleistung berechtigt (§ 163 Absatz 2 Satz 2 VVG).

    b)

    § 163 VVG ist auf Rentenversicherungsverträge anzuwenden. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, unter den Oberbegriff der Lebensversicherung so unterschiedliche Versicherungen wie die Risikolebensversicherung, die Rentenversicherung, die kapitalbildende Lebensversicherung und die fondsgebundene Lebensversicherung zu fassen, ohne gesetzliche Leitbilder zu formulieren, dies in dem Bewusstsein, dass in der Praxis Mischformen die Regel sind. Von ausdrücklichen Ausnahmen abgesehen gelten die Vorschriften über die Lebensversicherung deshalb für alle Formen von Lebensversicherungen (Entwurf der Bundesregierung vom 20. Dezember 2006 für ein Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, Bundestag Drucksache Nr. 16/3945, S. 51; vgl. auch Schneider in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 32. Aufl. 2024, Rn. 10 ff., 30a vor §§ 150 bis 171 VVG).

    So liegt es auch hier im Fall der fondsgebundenen Rentenversicherung als zertifiziertem Altersvorsorgevertrag, bei dem der Anbieter zusagt, dass zu Beginn der Auszahlungsphase zumindest die eingezahlten Altersvorsorgebeiträge für die Auszahlungsphase zur Verfügung stehen und für die Leistungserbringung genutzt werden (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 AltZertG).

    c)

    Die in § 1 Absatz 3 Satz 1 AVB angesprochenen Rechnungsgrundlagen betreffen auch den Regelungsgehalt des § 163 VVG.

    aa)

    Die gesetzliche Bestimmung gibt dem Versicherer ein Anpassungsrecht für den Fall nachträglicher Äquivalenzstörungen, wobei sich das Äquivalenzprinzip nach versicherungsmathematischen Grundsätzen richtet (vgl. hierzu Leithoff in: Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht, 3. Aufl. 2022, § VVG 163 Rn. 15 f). Es handelt sich um eine besondere Regelung im Hinblick auf die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen einer geänderten Geschäftsgrundlage (Winter in: Bruck/Möller, Kommentar zum VVG, 9. Aufl. 2013, § 163 VVG Rn. 14; Pilz in Beck'scher Onlinekommentar zum VVG, 25. Ed. 01.11.2024, § 163 VVG Rn. 1; Schneider in: Prölss/Martin, a.a.O., § 163 VVG Rn. 2). Da der Versicherer im Zeitpunkt der Erstkalkulation der Prämie wegen der regelmäßig langen Laufzeit der Verträge nicht für alle zukünftigen Veränderungen Vorsorge treffen kann, ist er auf eine Prämienanpassungsbefugnis angewiesen, damit er sein Leistungsversprechen auch dann dauerhaft erfüllen kann, wenn sich der Leistungsbedarf anders als erwartet und vorausbedacht verändert (Wandt in: Münchener Kommentar zum VVG, 3. Aufl. 2024, § 163 VVG Rn. 1).

    bb)

    In Umsetzung dieses Regelungszwecks setzt § 163 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 VVG voraus, dass "sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämie geändert hat".

    (1)

    Darüber, dass jedenfalls bei Änderung der biometrischen Rechnungsgrundlagen eine Neufestsetzung der Prämie gem. § 163 Absatz 1 VVG möglich ist, herrscht in der Rechtswissenschaft Einigkeit. Hierzu gehört namentlich die erhöhte Lebenserwartung, die in den sog. Sterbetafeln statistisch ausgewertet wird (vgl. Brambach in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, 4. Aufl. 2020, § 163 VVG Rn. 6). In dieser Hinsicht berührt die zu beurteilende Klausel den Regelungsbereich der gesetzlichen Bestimmung.

    (2)

    Ob auch die in der Klausel weiter angesprochene Rendite der Kapitalanlagen zu den von der gesetzlichen Bestimmung erfassten Rechnungsgrundlagen zählt, ist in der Rechtswissenschaft umstritten (in diesem Sinne Brambach, a.a.O., § 163 VVG Rn. 7; Leithoff in: Staudinger/Halm/Wendt, a.a.O., § VVG 163 Rn. 11, 18, 23; Grote in Langheid/Rixecker, Kommentar zum VVG, 7. Aufl. 2022, § 163 VVG Rn. 7; Winter in: Bruck/Möller, a.a.O., § 163 VVG Rn. 15; Looschelders in Looschelders/Pohlmann, VVG, 4. Aufl. 2023, § 163 VVG Rn. 18; anderer Auffassung: LG Köln, Urteil vom 8. Februar 2023 - 26 O 12/22, juris Rn. 68 im Anschluss an Wandt, VersR 2015, 918; ders. in Münchener Kommentar, a.a.O., § 163 VVG Rn. 27, 38; vertiefend ders., VersR 2024, 673 [675 ff.]; ebenso Pilz in Beck'scher Onlinekommentar zum VVG, a.a.O., § 163 VVG Rn. 3; Schneider in: Prölss/Martin, a.a.O., § 163 VVG Rn. 7). Dies kann dahinstehen.

    d)

    Offen bleiben kann die Frage, ob die beanstandete Klausel in der angeordneten Rechtsfolge eine Abweichung von § 163 VVG darstellt. Dies hängt davon ab, worin der halbzwingende Regelungsgehalt der Vorschrift erkannt wird.

    aa)

    Das Landgericht stellt darauf ab, dass die angegriffene Bestimmung keine Abweichung von § 163 VVG darstelle, weil sie nicht den Fall einer einseitigen Prämienerhöhung durch den Versicherer regele, sondern diesem eine Befugnis zur Herabsetzung der vereinbarten Leistung gebe. Bei dieser Betrachtungsweise regelt die Vorschrift nicht die Frage, welche Folgen die unvorhergesehene Änderung von Rechnungsgrundlagen haben soll, sondern vielmehr die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Prämienanpassung möglich ist.

    bb)

    Dieses Ergebnis ist nicht zweifelsfrei, weil der Regelungsgehalt des § 163 VVG auch darin gesehen werden könnte, dass er bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Änderung der Rechnungsgrundlagen festzustellen sind und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben. Für diese Betrachtungsweise könnte sprechen, dass erhebliche Verbraucherinteressen sowohl bei den Voraussetzungen einer Vertragsanpassung berührt sein können als auch bei der Rechtsfolge, die nach der gesetzlichen Regelung dem Versicherungsnehmer ein Wahlrecht zwischen Prämienerhöhung und Rentenabsenkung eröffnet.

    cc)

    Der Wortlaut der §§ 163, 171 VVG liefert keine deutlichen Anhaltspunkte, welche Verbraucherinteressen geschützt werden sollen. Auch die Gesetzesbegründung trägt nicht zu einer Klarheit bei, denn ihr zufolge können in anderen Fallkonstellationen Änderungsklauseln vereinbart werden (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 20. Dezember 2006, Bundestag Drucksache Nr. 16/3945, S. 99). Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1999 - IV ZR 218/97, juris Rn. 18 f.), beantwortet jedoch nicht die Frage nach dem zwingenden Regelungsgehalt des § 163 VVG, von dem nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden darf.

    2.

    Die Klausel ist jedenfalls gem. § 307 Absatz 1 BGB wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam. Zur Unwirksamkeit führt der Umstand, dass die Klausel keine Rückanpassung des Rentenfaktors für den Fall sich bessernder Rechnungsgrundlagen vorsieht. Die benachteiligenden Wirkungen der Klausel werden zudem durch den Umstand verstärkt, dass das Klauselwerk dem Versicherungsnehmer keine hinreichende Möglichkeit bietet, auf die Rentenabsenkung durch höhere Einzahlungen zu reagieren, um das Rentenniveau wieder anzuheben.

    a)

    Als unangemessen wird eine Klausel beurteilt, mit der der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, Urteil vom 18. September 2024 - IV ZR 436/22, juris Rn. 61). Zur Beurteilung bedarf es einer umfassenden Würdigung, in die die Art des konkreten Vertrags, die typischen Interessen beider Parteien, die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien einzubeziehen sind (BGH, Urteil vom 16. März 2018 - V ZR 306/16, juris Rn. 26).

    b)

    Es wird auch vom Kläger anerkannt, dass der Versicherer ein berechtigtes Interesse an einem Anpassungsrecht für den Fall nachträglicher Äquivalenzstörungen infolge geänderter Rechnungsgrundlagen hat. Insbesondere das Risiko einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase fällt nicht in den Risikobereich einer Partei des Rentenversicherungsvertrages (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2018 - IV ZR 201/17, juris Rn. 21). Solche Verträge haben indes eine sehr lange Laufzeit und können vom Versicherer nicht gekündigt werden. Dass im Fall geänderter Rechnungsgrundlagen das Äquivalenzverhältnis wiederhergestellt werden können muss, um den Bestand des Versicherungsunternehmens nicht zu gefährden, bezweckt auch § 163 VVG. Zur Wahrung des Interesses an einem Anpassungsrecht kann folglich eine Regelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen getroffen werden, sofern § 171 VVG keine inhaltlichen Beschränkungen vorgibt, was im Folgenden für die Zwecke dieses Verfahrens unterstellt werden soll. Da eine solche Klausel das Hauptleistungsversprechen einschränkt, unterliegt sie jedoch einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB (vgl. zur Kontrollfähigkeit solcher Klauseln vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2022 - IV ZR 144/21, juris Rn. 25).

    c)

    Mit Recht greift der Kläger die Klausel unter dem Gesichtspunkt an, dass das Anpassungsrecht nur das Interesse des Versicherers verfolgt, die Rentenhöhe abzusenken. Die Klausel sieht hingegen nicht vor, im Falle sich wieder bessernder Rechnungsgrundlagen die Absenkung wenigstens teilweise rückgängig zu machen. Das Fehlen einer Regelung zur Rückanpassung des Rentenfaktors für den Fall einer (teilweisen) Wiederherstellung des vertraglich vereinbarten Äquivalenzverhältnisses ist unangemessen, weil die angegriffene Klausel das Recht zur Vertragsanpassung einseitig ausgestaltet.

    aa)

    Das Interesse beider Vertragspartner an einer Vertragsanpassung im Falle sich ändernder Vertragsgrundlagen wird bei einer einseitigen Befugnis nicht angemessen zum Ausgleich gebracht. Vielmehr muss eine Vertragsanpassungsbefugnis das Äquivalenzverhältnis wahren (vgl. Armbrüster, r + s 2012, 365 [372]). Dies erfordert eine Regelung mit dem Inhalt, dass eine vorgenommene Absenkung des Rentenfaktors bis zur Höhe der ursprünglichen Vereinbarung rückgängig gemacht wird, wenn sich spätestens bei Rentenbeginn anhand aktualisierter, nicht nur vorübergehend verbesserter Rechnungsgrundlagen ein höherer Rentenfaktor ergibt (so auch LG Köln, Urteil vom 8. Februar 2023 - 26 O 12/22, juris Rn. 62).

    bb)

    Die Notwendigkeit einer vertraglichen Rückanpassung folgt bereits aus den Umständen, dass die angefochtene Klausel die vertraglichen Hauptleistungspflichten und somit geschützte Erwartungen des Verbrauchers modifiziert und es sich um langlaufende Verträge handelt, bei denen selbst nach einer nicht nur vorübergehenden Verschlechterung der Rechnungsgrundlagen eine nachhaltige Verbesserung der Rechnungsgrundlagen jedenfalls möglich erscheint.

    Umso mehr ist eine vertragliche Regelung zur Rückanpassung geboten, wenn die Klausel wie im vorliegenden Fall ein jederzeitiges Anpassungsrecht gewährt, obwohl die Rendite der Kapitalanlagen als Rechnungsgrundlage erst nach Rentenbeginn relevant wird. Dies entspricht dem für die Bewertung der Klausel maßgebenden Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, der das Vertragswerk aufmerksam durchsieht und ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse allein die dem Klauselwerk zu entnehmenden versicherungswirtschaftlichen Überlegungen berücksichtigt (vgl. zu diesem Auslegungsmaßstab BGH, Urteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99, juris Rn. 15).

    Das Verständnis, dass die in § 1 Absatz 3 Satz 1 AVB genannte Rendite der Kapitalanlagen als Rechnungsgrundlage für die Bestimmung des Rentenfaktors erst bei Beginn der Rentenphase relevant wird, folgt aus dem in der angegriffenen Klausel enthaltenen Verweis auf § 25 Absatz 1a Satz 4 AVB, der lautet: "Nach Rentenbeginn stammen die Überschüsse im Wesentlichen aus den Erträgen der Kapitalanlagen." Dies korrespondiert mit der allgemeinen Einleitung vor § 1 AVB, wonach der Versicherungsnehmer vor Beginn der Rentenzahlung an der Wertentwicklung des von ihm gewählten Fonds beteiligt ist und jeder Fonds einen gesonderten Anlagestock darstellt, der gesondert vom übrigen Vermögen der Beklagten geführt wird. Mit Beginn der Rentenzahlung werden den Anlagestöcken die auf den individuellen Versicherungsvertrag entfallenden Fondsanteile entnommen und in die sonstigen Kapitalanlagen überführt. Daraus erschließt sich für den Versicherungsnehmer die Bedeutung der Rendite der Kapitalanlagen für das Rentenniveau, das umso höher ausfallen kann, je besser das angesparte Kapital verzinst wird. Zwar weist § 25 Absatz 1a Satz 1 AVB darauf hin, dass der Versicherungsnehmer auch schon vor Rentenbeginn an Überschüssen beteiligt ist, die aus Erträgen der Kapitalanlagen stammen. Die zu beurteilende Klausel nimmt hierauf jedoch gar keinen Bezug, und ein versicherungsmathematischer Zusammenhang solcher Überschüsse mit der Rentenhöhe erschließt sich dem Verbraucher nicht. Nach seinem Verständnis ist für den Gesamtertrag des Vertrags vor Beginn der Rentenzahlung vielmehr - wie von § 25 Satz 1 AVB klar bezeichnet - die Entwicklung des gewählten Fonds entscheidend. Der Verweis gerade auf den vierten Satz des § 25 Absatz 1a AVB erweckt beim Verbraucher, der sich aufmerksam mit dem Regelungswerk befasst, somit das Verständnis, dass für die Rentenhöhe nur die nach Rentenbeginn erzielten Überschüsse von Bedeutung sind.

    Weiter ergibt sich für den Versicherungsnehmer aus dem Wortlaut der angefochtenen Klausel, dass die Anpassung nur vor dem vereinbarten Rentenbeginn vorgenommen werden darf. Eine weitere zeitliche Einschränkung entnimmt der Versicherungsnehmer der Regelung nicht, woraus sich für ihn ergibt, dass die Beklagte die Anpassung zu jedem Zeitpunkt vor Rentenbeginn vornehmen kann, ggf. auch Jahrzehnte zuvor (wie in dem den Anlass der Klage gebenden Fall geschehen).

    Aus diesem Regelungszusammenhang folgt: ein Anpassungsrecht in einem Rentenversicherungsvertrag, das vor Rentenbeginn auf die nachhaltige Änderung von erst später relevant werdenden Rechnungsgrundlagen gestützt werden kann, muss zwingend auch die Korrektur dieser Anpassung für den möglichen Fall regeln, dass sich die Rechnungsgrundlagen wieder den vertraglich vereinbarten Annahmen nachhaltig annähern.

    cc)

    Das Fehlen einer solchen Regelung kann nicht durch die von der Beklagten in den Anschreiben abgegebene Verpflichtung ausgeglichen werden. Allein entscheidend ist, wie der Verwender die Klausel nach ihrem objektiven Regelungsgehalt handhaben könnte (BGH, Urteil vom 10. Juni 2020 - VIII ZR 289/19, juris Rn. 29). Nach dem objektiven Regelungsgehalt der Klausel ist die Beklagte zu einer neuerlichen Anpassung zugunsten des Versicherungsnehmers jedoch nicht verpflichtet. Nachträgliche Erklärungen wie in dem Anschreiben bleiben unberücksichtigt, denn zu beurteilen ist die Klausel ausschließlich in dem Kontext, den das Klauselwerk setzt, in dem die auszulegende Allgemeine Geschäftsbedingung aufgeführt ist (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 30).

    Gleichwohl belegt die abgegebene Zusage, dass die Möglichkeit einer Verbesserung der Rechnungsgrundlagen besteht und eine Rückanpassung auch möglich wäre. Diese Umstände unterstreichen die Notwendigkeit einer vertraglichen Rückanpassungsklausel bei langlaufenden Verträgen wie den vorliegenden.

    dd)

    Dieses Ergebnis ist auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Gesetz in § 163 VVG keine Rückanpassung vorsieht. Die gesetzliche Bestimmung regelt als primäre Rechtsfolge eine Prämienanpassung, was die angegriffene Klausel jedoch nicht vorsieht. Die Klausel geht daher in ihrer Rechtsfolge über § 163 VVG hinaus. Schon aus diesem Grund kann die Beklagte der gesetzlichen Regelung kein Leitbild entnehmen, das als Rechtfertigung einer unzureichenden vertraglichen Regelung dient. Infolgedessen muss die vertragliche Bestimmung allen Anforderungen, die an einen angemessenen Interessenausgleich gestellt werden, gerecht werden.

    Die Argumentation der Beklagten, sie bilde die gesetzliche Regelung ab, ist zudem formal. Die Beklagte hat keinen materiell-rechtlichen Grund vorgetragen, weshalb eine Rückanpassung in ihrem Vertragswerk nicht erforderlich sein soll, sondern sich auch in der mündlichen Verhandlung auf das Argument zurückgezogen, das Gesetz sehe eine Rückanpassung ebenfalls nicht vor. Nachdem sich jedoch den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen lässt, welche materiell-rechtlichen Erwägungen der gesetzlichen Regelung zugrunde liegen, kann auch nicht beurteilt werden, ob diese für die Anpassungsklausel der Beklagten in gleicher Weise zuträfen. Wenn man davon ausgehen würde (wie von Baroch Castellvi, VersR 2024, 1 [3] vermutet), die fehlende Regelung beruhte alleine darauf, dass der Gesetzgeber eine Rückanpassung als fernliegend angesehen habe, dann wäre diese Erwägung auf die vorliegende Fallkonstellation offensichtlich nicht übertragbar. Mit ihrer in den Anschreiben abgegebenen Zusage hat die Beklagte deutlich gemacht, dass eine spätere Erhöhung der Rente möglich erscheint.

    Eine Übertragung der materiell-rechtlichen Wertungen des § 163 VVG auf die vorliegende Klausel würde zudem voraussetzen, dass die Vertragsklausel die Rentenabsenkung nur unter denselben (strengen) Voraussetzungen zulässt wie die gesetzliche Regelung. § 163 VVG ist darauf zugeschnitten, einer drohenden Insolvenz von Versicherungsunternehmen durch Prämienanpassungen oder Leistungskürzungen vorzubeugen, um gerade auch im Interesse der Versicherungsnehmer die Rentenzahlungen zu gewährleisten (Schneider in: Prölss/Martin, a.a.O., § 163 VVG Rn. 1; Wandt in: Münchener Kommentar zum VVG, a.a.O., § 163 VVG Rn. 2). Nur wenn der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis es auch insoweit maßgebend ankommt, die Klausel dahingehend versteht, dass die vertraglichen Voraussetzungen einer Leistungsanpassung vergleichbar streng seien, könnte trotz einer fehlenden Rückanpassungsverpflichtung eine insgesamt ausgewogene Regelung vorliegen, die die Interessen des Vertragspartners angemessen berücksichtigt. Ob dies der Fall ist, ist zweifelhaft, kann jedoch letztlich dahinstehen.

    ee)

    Auch der Umstand, dass der Versicherungsnehmer von einer positiven Entwicklung der Rendite der Kapitalanlagen durch eine Beteiligung an höheren Überschüssen profitieren könnte, wahrt das Interesse des Versicherungsnehmers nicht (ebenso LG Köln, Urteil vom 8. Februar 2023 - 26 O 12/22, juris Rn. 64).

    Zwar ist bei einer Inhaltskontrolle einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Klausel der gesamte Vertragsinhalt zu würdigen, weshalb die mit einer Klausel verbundene unangemessene Benachteiligung durch Vorteile ausgeglichen werden kann, die der Verwender seinem Vertragspartner durch eine andere Klausel gewährt (BGH, Urteil vom 21. September 2016 - VIII ZR 27/16, juris Rn. 19). Eine solche Kompensation ist jedoch nur in engen Grenzen zulässig. Sie erfordert grundsätzlich einen Sachzusammenhang der Klauseln in Gestalt konnexer, in Wechselbeziehung stehender Regelungen und darüber hinaus einen angemessenen Ausgleich, der die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners wieder aufhebt (BGH, a.a.O., Rn. 20). Vorliegend fehlt es sowohl an einem angemessenen Ausgleich (1) als auch am Sachzusammenhang der Regelungen (2).

    (1)

    Im Verbandsprozess kann nicht davon ausgegangen werden, Nachteile des Versicherungsnehmers, die dadurch entstehen, dass die Deckungsrückstellungen für seinen individuellen Vertrag nicht mehr mit einem Rechnungszins von 2,75 % berechnet werden, würden bei einer verbesserten allgemeinen Zinslage sicher durch eine höhere Überschussbeteiligung ausgeglichen, die sich daraus ergibt, dass das Versicherungsunternehmen gem. § 138 Absatz 2 VAG die Anpassungen für eine Vielzahl an Verträgen vornimmt. Die nach dem verursachungsorientierten Verfahren zu ermittelnden Überschüsse hängen vielmehr von Unternehmenskennzahlen wie den eingenommenen Prämien, den erbrachten Aufwendungen und der Bildung vertragsindividueller Reserven ab (im Einzelnen Senatsurteil vom 3. Februar 2022 - 2 U 117/20, juris Rn. 176 - Privatrente Perspektive). Zudem werden nicht alle Kapitalerträge an die Versichertengemeinschaft verteilt (vgl. zur Praxis der Beklagten gem. § 25 AVB das Senatsurteil, a.a.O., juris Rn. 188 sowie das hierzu ergangene Revisionsurteil des BGH vom 18. September 2024 - IV ZR 436/22, juris Rn. 37). In welchem Maße durch eine breit vorgenommene Absenkung des Rentenfaktors bei einer verbesserten Zinslage eine Überschussbeteiligung entsteht, die an die betroffenen Versicherten zurückfließt, ist demnach ungewiss.

    (2)

    Weiter gibt die angefochtene Klausel dem Versicherungsnehmer auch keinen Hinweis darauf, ob der Beklagten auch in Bezug auf Vertragsverhältnisse anderer Vertragsgenerationen gleichartige vertragliche oder gesetzliche Befugnisse für eine Rentenkürzung zur Verfügung stehen, was aber notwendig wäre, um nennenswerte Effekte bei den Überschüssen zu erzielen und die erforderliche Wechselbeziehung zwischen der Rentenkürzung einerseits und einer erhöhten Überschussbeteiligung des Versicherungsnehmers andererseits herzustellen.

    ff)

    Schließlich ist für einen angemessenen Interessenausgleich auch nicht die Erwägung der Beklagten ausreichend, dass sich bei einer Erholung der Kapitalmärkte auch der Wert der Fondsanteile erhöhe, wodurch der Policenwert und damit auch der Rentenanspruch ansteige. Dieser Gesichtspunkt ist schon deshalb nicht geeignet, die durch die Absenkung des Rentenfaktors entstandenen Nachteile des Verbrauchers aufzufangen, weil er nach der Risikoverteilung des Vertrages ohnehin an einer Wertsteigerung der Fondsanteile teilnimmt.

    d)

    Weiter liegt eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers darin, dass ihm keine Möglichkeit eingeräumt wird, auf die vorgenommene Rentenkürzung durch Einzahlung entsprechend höherer Prämien zu reagieren.

    aa)

    Der Senat folgt der Wertung des Landgerichts, dass eine ausgewogene Vertragsgestaltung eine solche Regelung vorsehen muss. Der Versicherungsnehmer darf sich nach dem Inhalt des Vertrages jedenfalls darauf einrichten, eine bezifferbare Mindestrente zu erhalten. Die Beklagte garantiert gem. § 1 Absatz 2 AVB, dass zu Beginn der Rentenzahlung mindestens die bis dahin eingezahlten Beiträge und die staatlichen Zulagen für die Bildung der Rente zur Verfügung stehen. Sie verpflichtet sich im Erlebensfall zur Zahlung einer garantierten Rente, deren Höhe sich aus dem Policenwert und dem im Versicherungsschein genannten Rentenfaktor ergibt (§ 1 Absatz 1 und 2 AVB). Zwar ist die Rentenhöhe im Wesentlichen von der Wertentwicklung der vom Versicherungsnehmer ausgewählten Fonds abhängig (§ 25 Absatz 1 AVB). Aus der Garantie, dass die Einzahlungen und Zulagen zur Zahlung der Rente zur Verfügung stehen, und aus dem im Versicherungsschein vereinbarten Rentenfaktor ergibt sich für den Versicherungsnehmer indes die Erwartung einer bezifferbaren Mindestrente.

    Hiergegen kann die Beklagte nicht einwenden, der Versicherungsnehmer habe mit einer fondsgebundenen Rentenversicherung ein risikofreudiges Anlageprodukt ausgewählt und ihm sei auf Grund der Vertragsunterlagen bekannt gewesen, dass der Rentenfaktor unter den Voraussetzungen der streitgegenständlichen Klausel reduziert werden kann. Abgesehen davon, dass diese Kenntnis beim durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht feststellbar ist, weil er beim Abschluss des Vertrages keinen Anlass hat, sich mit § 1 Absatz 3 AVB zu befassen, beseitigen die genannten Umstände nicht sein berechtigtes Interesse, gerade im Fall einer Reduzierung des Rentenfaktors mit Zusatzzahlungen das Rentenniveau wieder anzuheben.

    bb)

    Das Klauselwerk räumt dem Versicherungsnehmer keine hinreichende Möglichkeit ein, die Rentenkürzung durch zusätzliche Einzahlungen wenigstens teilweise zu kompensieren. Zwar gewährt § 14 AVB dem Versicherungsnehmer das Recht, einmal jährlich Zuzahlungen zu leisten oder den vereinbarten Beitrag zu erhöhen. Die zusätzlichen Zahlungen sind allerdings beschränkt und dürfen mit den übrigen Beiträgen und Zuzahlungen nicht den Höchstbetrag des § 10a EStG übersteigen (seit 2008 jährlich 2.100,00 Euro). Da ein Übersteigen dieses Höchstbetrages denkbar ist, ist im Verbandsprozess davon auszugehen, dass eine Reaktionsmöglichkeit des Versicherungsnehmers nicht gegeben ist.

    cc)

    Die fehlende Reaktionsmöglichkeit lässt sich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, die Einzahlung zusätzlicher Prämien führte dazu, dass die Beklagte trotz niedrigeren Rechnungszinses aus einem - nunmehr - erhöhten Policenwert eine Rente nach dem ursprünglich vereinbarten Rentenfaktor zahlen müsste, was die Problematik eines wachsenden Defizits verschärfen würde. Dieser Einwand der Beklagten beruht auf der Annahme, dass sich die Rente nach dem ursprünglich vereinbarten Rentenfaktor bemisst. Vorliegend geht es indes um die Reaktionsmöglichkeit auf die Reduzierung des Rentenfaktors.

    Im Übrigen steht die Einzahlung höherer Prämien nicht den geschützten Interessen des Versicherers entgegen. Der Gesetzgeber hat die Annahme zur Grundlage seiner Regelung gemacht, dass die Erhöhung der Prämie bei allen Lebensversicherungsverträgen dazu dienen kann, die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen zu erreichen (vgl. § 163 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 VVG und oben unter II. 1 b). Dies schließt alle kapitalbildenden Lebensversicherungen ein, für die sich diese Frage in gleicher oder ähnlicher Weise stellt.

    Die gesetzliche Wertung ist auch nachvollziehbar: Durch erhöhte Prämien wird das Versicherungsunternehmen mit zusätzlichem Kapital ausgestattet, was ihm die Erfüllung der vertraglichen Zusagen erleichtert. § 11 Absatz 1 AVB sieht vor, dass nicht der gesamte Beitrag für den Erwerb von Fondsanteilen verwendet wird, sondern ein Teil davon zur Finanzierung der vertraglichen Garantien. Es obliegt versicherungsmathematischen Berechnungen, die erforderliche Höhe und Verwendung der zusätzlichen Prämien bis zum Zeitpunkt der Versicherungsleistungen zu bestimmen. Dabei berücksichtigt der Versicherer, wann er Prämien einnimmt, wann er Leistungen auszahlt und welchen Teil der Prämie er für die Zahlung an den Versicherten verwenden kann (Brambach in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, a.a.O., § 163 VVG Rn. 7). Mithin wird durch zusätzliche Prämien die Kapitalbasis gestärkt und damit die Sicherheit, dass die zugesagten Leistungen erbracht werden können, erhöht.

    dd)

    Die Beklagte kann der Notwendigkeit einer vertraglich einzuräumenden Möglichkeit zur Prämienerhöhung auch nicht entgegensetzen, dass angesichts der unsicheren Wertentwicklung des Fonds der Policenwert bis zum Rentenbeginn nicht voraussehbar sei und deshalb die für das Erreichen des Rentenniveaus erforderlichen zusätzlichen Prämien nicht beziffert werden könnten. Das Landgericht weist überzeugend darauf hin, dass dem Versicherungsnehmer durch eine Option auf Zahlung ergänzender Prämien immerhin die Möglichkeit verbleibt, zumindest noch Einfluss auf die Höhe seiner künftigen Rente zu nehmen, selbst wenn die Auswirkungen zusätzlicher Zahlungen nicht genau kalkulierbar sein sollten.

    Außerdem hat der Versicherungsnehmer eine vertraglich geschützte Erwartung zumindest in Bezug auf die Mindestrente, die sich aus dem vom Versicherer zu garantierenden Bestand der erbrachten Einzahlungen und Zulagen sowie aus dem vereinbarten Rentenfaktor berechnet. Vermindert sich der Rentenfaktor, so muss der Faktor des mindestens zu erreichenden Policenwerts entsprechend erhöht werden.

    ee)

    Einer Erhöhung der Prämie steht auch nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer bei der Einkommensteuer die Altersvorsorgebeiträge nur in den Grenzen des § 10a Absatz 1 Satz 1 EStG von seinem Einkommen als Sonderausgaben abziehen kann. Da es im Einzelfall möglich ist, dass diese Grenzen auch nach einer Neufestsetzung der Prämie nicht überschritten werden, kann im Verbandsprozess von einer solchen Beschränkung schon nicht ausgegangen werden. Im Übrigen steht es dem Versicherungsnehmer frei zu entscheiden, ob er zusätzliche Prämien zugunsten einer höheren (nachgelagert zu versteuernden) Rente auch dann einzuzahlen bereit ist, wenn die Zusatzbeiträge nicht als steuerlich begünstigte Altersvorsorgebeiträge behandelt werden.

    ff)

    Schließlich kann die fehlende Möglichkeit, durch Zuzahlungen das vertraglich vorgesehene Mindestrentenniveau zu erreichen, nicht mit der vom Landgericht angestellten Erwägung gerechtfertigt werden, der Versicherungsnehmer habe die fehlende Reaktionsmöglichkeit hinzunehmen, weil der vertragliche Zweck die Zuzahlung auf den förderfähigen Höchstbetrag begrenze und dem Versicherungsnehmer bekannt sei, dass derartige Verträge gesetzlichen Schranken unterlägen.

    Eine etwaige Kenntnis des Versicherungsnehmers ändert an der fehlenden Reaktionsmöglichkeit nichts. Zudem hat der durchschnittliche Versicherungsnehmer auf den dauerhaften Bestand der Renten- und Prämienkalkulation vertraut und somit auch nicht damit gerechnet, dass die Prämie über den förderfähigen Bereich steigen muss, um die erwartete (Mindest-) Rente zu erreichen. Schließlich beruht die vertraglich vorgesehene Begrenzung der Zuzahlungen auf den abzugsfähigen Höchstbetrag (§ 10a EStG) nicht auf gesetzlichen Vorgaben. § 1 Absatz 1 AltZertG steht höheren Beiträgen nicht entgegen. Die Begrenzung der Einzahlungen entspringt vielmehr aus der Sphäre der Beklagten, die damit den Weg für kompensierende Zusatzzahlungen versperrt.

    e)

    Nach umfassender Gesamtwürdigung aller Umstände benachteiligt die Klausel den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Dem berechtigten Interesse des Versicherers an der vorliegenden Anpassungsklausel laufen weder eine nachträgliche Korrektur der Rentenkürzung noch die Einzahlung höherer Prämien zuwider. Beide nachteilsausgleichenden Regelungen liegen im erheblichen Interesse der Verbraucher, die die vorliegende Klausel jedoch nicht beachtet.

    3.

    Die Urteilsformel enthält entsprechend den zwingenden und unabhängig vom Klageantrag von Amts wegen zu beachtenden Anforderungen des § 9 Nr. 3 UKlaG zudem das Gebot, die Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu "unterlassen". Dies wurde in der mündlichen Verhandlung erörtert und der Kläger hat dem zugestimmt.

    4.

    Da die vorgerichtliche Abmahnung begründet war, hat der Kläger auch Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten (§ 5 UKlaG i.V.m. § 13 Absatz 3 UWG). Die Abmahnung war aus vorstehenden Gründen berechtigt. Die Höhe der geltend gemachten Kosten steht nicht im Streit.

    C

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO. Die Revision ist gemäß § 543 Absatz 2 ZPO unbeschränkt zuzulassen. Die Frage der Wirksamkeit der vorliegenden Klausel betrifft eine Vielzahl an Fällen.

    Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach den zu Streitigkeiten nach dem Unterlassungsklagengesetz entwickelten Grundsätzen, wonach je angegriffener Teilklausel ein Wert von 2.500,00 Euro als angemessen anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2023 - IV ZR 216/21, juris Rn. 1).

    Vorschriften§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB, § 163 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 VVG