· Fachbeitrag · Vollstreckungspraxis
Vollstreckungs-Tipp des Monats
Unser Leser, Bernhard S., Mannheim, recherchiert routiniert bei Gläubigern nach Nebeneinkünften oder verstecktem Vermögen. Auch auf potenzielle Ehrenämter hat er ein Auge. Nun schrieb er uns zu einem verblüffenden Fall, in dem er das Ehrenamt eines Schuldners aufspürte und gleichzeitig geschickt den Arbeitsumfang des Ehrenamts ermittelte.
Vollstreckungs-Tipp: Wenn der Schuldner bei Gericht sitzt … |
Unserem Leser lag ein Titel gegen den Schuldner S. vor, aus dem noch eine vergleichsweise geringe Restsumme von 800 EUR offen war. Gerade bei offenen Restschulden achtet unser Leser auf eine ökonomische Vollstreckung, damit der Aufwand verhältnismäßig bleibt und sich zu kleineren Restsummen nicht immer wieder Vollstreckungskosten addieren.
Der S. war 61 Jahre alt, hatte ein geringes Einkommen und zahlte nur Kleinstraten. Unser Leser wusste: Gerade wenn bei Schuldnern aufgrund des Alters oder nahendem Ruhestand nicht mehr mit großen Veränderungen in der Erwerbsbiografie zu rechnen ist, steigt die Attraktivität von kleinen Nebenjobs, Hinzuverdiensten oder Ehrenämtern. Denn diese Gruppe hat häufig mehr Zeit bzw. ist zeitlich flexibler als Schuldner mit einer klassischen, fest getakteten Arbeitswoche.
Daher schaut unser Leser auch regelmäßig in Zeitungen, lokale Anzeigen- und Vereinsblätter oder auch Social-Media-Gruppen, da viele Schuldner dort über ihre neuen Jobs und Freizeitaktivitäten berichten oder ihre Dienste anbieten. Bei einem Besuch einer lokalen Facebook-Gruppe hatte er überraschend Glück: Auf einem Bild war S. vor dem örtlichen AG zu sehen, darunter ein kurzer Text, dass er dort ein Schöffenamt bekleidete. Unser Leser recherchierte, dass Schöffen für ihre Tätigkeit wegen Verdienstausfall oder Zeitversäumnis entschädigt werden (§§ 15 ff. JVEG), aber nicht stets alle Beträge gepfändet werden können.
Allerdings war ihm unbekannt, wie häufig der S. als Schöffe für Verhandlungen vorgesehen ist und wie lange diese dauern. Je häufiger und länger die Einsätze, desto höher ggf. die Entschädigungen. Unser Leser recherchierte bei Gericht und erfuhr, dass Schöffen sog. Lade- oder Einsatzpläne erhalten. Nun ging er konsequent vor, konfrontierte S. mit seinem Wissen und kündigte an, die aktuellen und künftigen Ladepläne auch vollstrecken bzw. herausgeben lassen zu können. Schnell legte S. seine jüngeren Einsätze und Entschädigungsbelege offen. Er tilgte die vollständige Restschuld binnen zwei Monaten, denn einen Zugriff auf seine Entschädigungen wäre ihm peinlich gewesen. |
Oft sind es ungewöhnliche Vollstreckungsmethoden oder sogar Zufälle, die helfen, dem Schuldner auf die Schliche zu kommen und die Vollstreckung erfolgreich zu beenden. Diese Fälle sammeln wir und veröffentlichen sie an dieser Stelle im Leser-Erfahrungsaustausch. Schildern auch Sie uns Ihren „schönsten Fall“. Wird er veröffentlicht, erhalten Sie ein Einsenderhonorar von 50 EUR. Unsere Anschrift: IWW Institut, Redaktion „Vollstreckung effektiv“, Aspastraße 24, 59394 Nordkirchen, E-Mail: ve@iww.de.