· Künstliche Intelligenz
Steuerberater-Haftung beim Einsatz von KI

von OStA a. D. Raimund Weyand, St. Ingbert
Künstliche Intelligenz verändert die rechts- und steuerberatenden Berufe grundlegend. Sie verspricht Effizienz und Entlastung, wirft zugleich aber Fragen nach Verantwortung, Haftung und Datenschutz auf. Der sachgerechte Umgang mit dieser Technologie erfordert klare Regeln, sorgfältige Kontrolle und fundierte fachliche Kompetenz.
Unterschiedliche KI-Nutzung
Im Sommer 2025 machte ein Fall vor dem AG Köln Schlagzeilen. Ein Rechtsanwalt hatte in einem familienrechtlichen Verfahren einen Schriftsatz eingereicht, der offenbar zu einem erheblichen Teil von einer künstlichen Intelligenz verfasst worden war. Der Schriftsatz enthielt zahlreiche „Halluzinationen“ (nicht existente Quellen, falsche Randziffern, erfundene Urteile und fiktive Literaturstellen). Die Vermutung: Der Anwalt hatte auf ein Sprachmodell ohne Zugriff auf juristische Fachdatenbanken zurückgegriffen.
Bislang gibt es in Deutschland noch keinen öffentlich dokumentierten Fall, in dem Steuerberater KI-generierte Dokumente mit „Halluzinationen“ bei Finanzbehörden oder -gerichten eingereicht haben und dadurch beruflich auffällig wurden. Im Unterschied zur Anwaltschaft lässt die Arbeit von Steuerberatern in der Regel weniger textliche Begründungsspielräume, weswegen das Risiko, dass eine KI in Texten „halluziniert“, geringer ist. Dennoch ist es wichtig, sich die Risiken des Einsatzes von KI immer wieder vor Augen zu führen, denn der Berater haftet für Mängel seiner Arbeit.
Haftungsgrundlagen und Sorgfaltspflichten
Regelmäßig handelt es sich bei der Beziehung des Berufsangehörigen mit einem Mandanten um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter (§ 611 BGB). Ein Werkvertrag (§ 631 BGB) liegt nur dann vor, wenn eine ganz bestimmte Tätigkeit in Form einer einmaligen Einzelleistung zu erbringen ist, etwa die Erstellung eines Gutachtens oder einer einzelnen Steuererklärung. In beiden Fällen haftet der Berater für Mängel nach den §§ 280 ff. BGB. Dies gilt auch bei Fehlern von Mitarbeitern und für den Einsatz von Hilfsmittel, wie etwa Steuer-Software, und daher gleichermaßen bei KI-Systemen. Spezielle Haftungsregeln im Zusammenhang mit KI-Systemen existieren nicht. Es gelten dementsprechend die allgemeinen berufsbezogenen Sorgfalts-, Auswahl- und Überwachungspflichten.
- Vor ihrem Einsatz muss der Steuerberater prüfen, ob die KI-Software überhaupt fachlich geeignet ist, sie also „richtige“ und aktuelle Ergebnisse erzeugt, die auch mit dem geltenden Steuerrecht übereinstimmen. Damit stellen allgemeine Sprachmodelle (ohne Zugriff auf Fachdatenbanken) für die fachliche Arbeit ein hohes Risiko dar.
- Außerdem ist sicherzustellen, dass der Datenschutz gewährleistet ist und die berufliche Verschwiegenheitspflicht (§ 57 StBerG) strikt eingehalten wird, zumal bei Einschaltung von Drittanbietern (vgl. Art. 28 DSVGO). Personen- oder mandatsbezogene Daten dürfen nicht in externe oder nicht ausreichend gesicherte KI-Systeme (wie z. B. freie allgemeine Sprachmodelle) eingegeben werden, bei denen der Schutz nicht garantiert ist. Anonymisierung oder Pseudonymisierung sind geeignete Mittel, um den gebotenen Mandantenschutz regelmäßig zu gewährleisten. Gleiches gilt für Zugriffsregelungen. Vor allem bei Steuerberatungsgesellschaften oder größeren Einzelpraxen ist der Zugriff auf Mandantendaten für nicht mit der Fallbearbeitung befasste Mitarbeiter zu limitieren.
- Laufende Ergebnisse müssen regelmäßig auf Plausibilität und Richtigkeit überprüft werden, insbesondere auch, wenn Software-Updates zu verarbeiten sind. Fehlfunktionen der KI („Halluzinationen“) oder andere Auffälligkeiten sind zu dokumentieren und unverzüglich zu beheben.
- Der Steuerberater (bzw. der mit dem Mandat betraute fachkundige Mitarbeiter) muss in jedem Fall selbst fachlich bewerten, ob die von der KI erzeugten Arbeitsergebnisse, wie Berechnungen, Steuererklärungen oder Gutachten, schlüssig sind, und darf die Ergebnisse nicht ungeprüft übernehmen. Dementsprechend hat er Sorge dafür zu tragen, dass seine bei den einzelnen Mandaten eingesetzten Mitarbeiter durch geeignete Schulungen bzw. Fortbildungen die erforderliche KI-Kompetenz aufweisen, wenn sie KI-Systeme in ihrem beruflichen Kontext nutzen. Der Berufsangehörige sollte in diesem Zusammenhang eine kanzleiinterne KI-Richtlinie erstellen, um den verantwortungsvollen Einsatz der Technologie zu regeln und Kontroll- sowie Dokumentationspflichten klar zu definieren.
- Allgemein gilt eine strikte Risikoorientierung: Je wichtiger und haftungsträchtiger das Ergebnis, desto genauer muss die Kontrolle ausfallen. Der Berufsangehörige trägt stets umfassende Auswahl-, Überwachungs- und Kontrollpflichten. Fehler der KI entlasten ihn nicht.
Handlungsempfehlungen
Der Einsatz von KI muss gegenüber dem Mandanten vor deren Verwendung transparent gemacht werden, sinnvollerweise durch deutliche Regelungen im Beratungsvertrag. Dies gilt vor allem dann, wenn wesentliche Arbeitsschritte durch die KI erledigt werden sollen, etwa die Zusammenstellung und Auswertung einschlägiger Rechtsprechung und ihre Umsetzung in Gutachten, dem Schriftverkehr mit dem FA oder Steuererklärungen.
Zu überprüfen ist ferner, ob die obligatorische Berufshaftpflichtversicherung (§ 67 StBerG) den Einsatz von KI mit abdeckt. Gegebenenfalls muss der Versicherungsschutz entsprechend angepasst werden. Sollte der Versicherer spezielle Dokumentations- bzw. Überwachungspflichten verlangen, sind entsprechende Anweisungen an das Personal unverzichtbar.
Empfehlungen — für den gewissenhaften Umgang mit KI |
1. Eigenverantwortliche Überprüfung und Endkontrolle
2. Besondere Sorgfaltspflichten
3. Wahrung der Verschwiegenheitspflicht
4. Datenschutz
5. Transparenzpflichten
6. Aufbau von KI-Kompetenz
7. Vermeidung von rechtlichen Risiken
8. Berücksichtigung der KI-Verordnung
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9. Empfehlungen und Weiterentwicklung
10. Grundsätzliche Überlegung
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Grundlage der Checkliste: BRAK ‒ Hinweise zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) (Stand: Dezember 2024), www.iww.de/s12432