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  • 11.11.2025 · IWW-Abrufnummer 251100

    Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 03.06.2025 – 4 U 58/25

    Der im VVG geregelte Anspruchsübergang von Ansprüchen des Versicherungsnehmers gegen Dritte nach Leistung durch den Versicherer steht einer Kondiktion überzahlter Leistungen vom Versicherungsnehmer nicht entgegen.


    Tenor:

        I.

        Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 12.12.2024 - 3 O 155/24 - wird zurückgewiesen.
        II.

        Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
        III.

        Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
        IV.

        Die Revision wird nicht zugelassen.

    Beschluss:

    Der Streitwert wird auf 5.077,12 EUR festgesetzt.
    Gründe

    I.

    Von der Aufnahme des Tatbestandes wird gemäß §§ 540, 313a ZPO abgesehen.

    II.

    Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, denn der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung der Leistungen aus der Kaskoversicherung wegen der Schadensereignisse vom 21.07.2018 (Seitenschaden) und 13.11.2019 (Glasschaden) an dem Fahrzeug Pkw VW Golf (amtliches Kennzeichen TO-FG 1) zu, §§ 812 Abs.1, 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 263 StGB.

    1.

    Die Beklagte ist für die geltend gemachten Ansprüche passivlegitimiert. Die Klägerin hat auf ihre (vermeintlichen) Verpflichtungen aus dem Kaskoversicherungsvertrag an die Reparaturwerkstatt - Firma Automobile T...... GmbH - Leistungen erbracht (Anlagen K 6 und K 10). Die Zahlungen sind zwar an die Reparaturwerkstatt erfolgt, jedoch handelt es sich um Leistungen an die Beklagte. Leistet der vermeintliche Schuldner auf eine in Wahrheit nicht bestehende Forderung, kann er das Geleistete vom Gläubiger kondizieren (sog. condictio indebiti), wenn er die Leistung in Kenntnis der wahren Sachlage nicht erbracht hätte (vgl. BGH, Urteil vom 02.11.1988 - IVb ZR 102/87 - juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verbietet sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung. Vielmehr sind in erster Linie die Besonderheiten des einzelnen Falles für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung zu beachten. Entscheidend ist, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Danach richtet sich auch die einer Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, die wiederum für das Leistungsverhältnis maßgebend ist, innerhalb dessen der bereicherungsrechtliche Ausgleich zu suchen ist (vgl. BGH, Urteil vom 02.11.1988 - IVb ZR 102/87 - juris). Der Zweck der Leistung war die Tilgung einer (vermeintlichen) Verbindlichkeit aus dem Versicherungsvertrag.

    Dem steht § 86 Abs.1 VVG, der bestimmt, dass Ansprüche des Versicherungsnehmers (der Beklagten) gegen Dritte mit der Leistung auf den Versicherer (die Klägerin) übergehen, nicht entgegen. Denn der Übergang von Ansprüchen schließt eigene Ansprüche des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer - z.B. wegen Verletzung von Obliegenheiten oder anderen Vertragspflichten - nicht aus. Der Sachverhalt für die Rückforderung gegen die Beklagte und die mit ihr verbundene Reparaturwerkstatt ist letztendlich identisch. Die Werkstatt soll nach der Behauptung der Klägerin im kollusiven Zusammenwirken mit der Beklagten "Scheinrechnungen" erstellt haben. Der Geschäftsführer der Beklagten hätte, weil er auch Geschäftsführer der Reparaturwerkstatt ist, Kenntnis von den Scheinrechnungen haben müssen. In diesem Fall hat die Klägerin die Wahl, wen sie in Anspruch nimmt, denn die Beklagte und die Reparaturwerkstatt können bei einem kollusivem Zusammenwirken Gesamtschuldner sein.

    2.

    Gleichwohl stehen der Klägerin weder aus § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 263 StGB noch aus § 812 Abs. 1 BGB Ansprüche zu. Sie hat nicht ausreichend konkret dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Beklagte sie durch die Vorlage einer Scheinrechnung getäuscht hat oder die Zahlungen ohne Rechtsgrund erfolgt sind.

    a) Seitenschaden

    Die Beklagte unterhält eine Vollkaskoversicherung für das versicherte Fahrzeug. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass das Fahrzeug am 21.07.2018 durch einen Unfall beschädigt wurde und sie grundsätzlich zur Erstattung des Schadens gemäß Ziffer A.2.3.2. AKB verpflichtet ist. Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, ist die Klägerin gemäß Ziffer A.2.7.1.a) AKB verpflichtet, die Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes zu zahlen, wenn die Beklagte dies durch eine Rechnung nachweist. Wird das Fahrzeug nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlt die Klägerin die erforderlichen Kosten bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswertes gemäß Ziffer A.2.7.1.b) AKB.

    aa)

    Ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.198,02 EUR aus § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 263 StGB steht der Klägerin nicht zu.

    Sie hat nicht ausreichend darlegt und unter Beweis gestellt, dass die Beklagte in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen der Klägerin beschädigt hat, indem sie durch Vorspiegelung falscher Tatsachen oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt hat, § 263 StGB. Hierfür reicht das Vorbringen der Klägerin nicht. Sie stellt nicht in Abrede, dass der Unfall vom 21.07.2018 stattgefunden und die im Gutachten vom 27.12.2019 festgestellten Schäden aufgetreten sind. Das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten des Sachverständigen F...... vom 31.03.2023 bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Reparaturrechnung vom 25.02.2020 eine Scheinrechnung darstellt und tatsächlich keine Reparaturarbeiten durchgeführt worden sind. Der ganz überwiegende Teil der Reparaturen ist auch nach den Ausführungen des Privatgutachters der Klägerin ausgeführt worden. Der Privatgutachter hat bemängelt, dass ihm das Protokoll der Eingangsvermessung nicht vorgelegt werden konnte. Dies beweist allerdings nicht, dass die Vermessung nicht durchgeführt worden ist. Eine Reparatur des Stoßfängers hinten entsprechend der Abrechnung konnte der Privatgutachter nicht feststellen. Dies macht die Rechnung zwar fehlerhaft, aber nicht zur Scheinrechnung. Es ist auch nicht dargelegt, in welcher Höhe aus der unterlassenen Reparatur des Stoßfängers hinten der Klägerin ein Schaden entstanden sein soll. Bei der Seitenwand hinten rechts konnte der Privatgutachter eine Instandsetzung feststellen, aber der in der Rechnung ausgewiesene Reparaturweg stimme nicht mit den tatsächlichen Feststellungen überein. Die Beklagte hat dazu behauptet, dass die Seitenwand teilersetzt worden sei. Jedoch ist auch nach Ansicht des Privatgutachters eine Instandsetzung im Teilbereich möglich. Die weiteren sechs Punkte der Reparatur sind nach den Angaben des Privatgutachters F...... entsprechend der vorgelegten Rechnung durchgeführt worden. Im Ergebnis sind zwar Anhaltspunkte für eine teilweise fehlerhafte Rechnung vorhanden, aber nicht für das Vorliegen einer Scheinrechnung. Es liegt auch kein Vortrag zu einem schuldhaftem Fehlverhalten des Geschäftsführers der Beklagten und der Reparaturwerkstatt vor. Hier kommt es auch nicht auf eine Zurechnung des Wissens an, denn der Geschäftsführer der Beklagte ist zugleich der Geschäftsführer der Reparaturwerkstatt. Ist dem Geschäftsführer der Automobile T...... GmbH positiv bekannt, dass Leistungen abgerechnet werden, die nicht erbracht worden sind, hat auch der Geschäftsführer der Beklagten davon Kenntnis. Dazu liegen aber keine Anhaltspunkte vor, zumal sich bei nur geringfügigen Fehlern einer Rechnung - wie hier - die Kenntnis des Geschäftsführers auch nicht aufdrängt.

    bb)

    Die Klägerin hat nicht unter Beweis gestellt, dass sie 2.198,02 EUR ohne Rechtsgrund geleistet hat, § 812 Abs.1 BGB. Grundsätzlich ist derjenige, der einen Bereicherungsanspruch aus Leistungskondiktion geltend macht, in vollem Umfang beweispflichtig für die Tatsachen, aus denen er die von ihm begehrte Rechtsfolge herleitet, somit für das Nichtbestehen eines Rechtsgrundes der erbrachten Leistung (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1994 - IV ZR 304/93 - juris). Stützt der Versicherer im Rückforderungsprozeß seinen Anspruch auf Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers, muss der Versicherer auch darlegen und beweisen, dass den Versicherungsnehmer an der Obliegenheitsverletzung ein relevantes Verschulden trifft (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1994 - IV ZR 304/93 - juris).

    Die Klägerin hat ihre Leistung (2.198,02 EUR) ohne rechtlichen Grund erbracht, wenn das Fahrzeug gar nicht repariert wurde. Das ist aber - wie bereits ausgeführt - nicht der Fall. Wenn eine nicht vollständige Reparatur vorliegt, dann ist die Klägerin zur Zahlung der erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswertes verpflichtet, Ziffer A.2.7. b) AKB. Hier ist nur der hintere Stoßfänger nicht repariert worden und es ist nicht vorgetragen, in welcher Höhe sich hieraus ein Rückzahlungsanspruch ergeben soll.

    Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Leistung auch nicht deshalb rechtsgrundlos erfolgt ist, weil der Versicherungsnehmer gegen eine vertragliche Obliegenheit verstoßen hat, § 28 Abs. 2 VVG. Hier fehlt es schon an einem konkreten Vortrag zu der verletzten Obliegenheit.

    b) Glasschaden

    aa)

    Ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 546,28 EUR aus § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 263 StGB steht der Klägerin nicht zu. Sie hat den Beweis für eine Täuschung durch die Beklagte nicht angetreten.

    Sie bestreitet den Glasschaden vom 13.11.2019 nicht. Es liegt zwar ein Indiz dafür vor, dass die Reparatur nicht ausgeführt worden sein könnte, weil der Prägestempel der Frontscheibe das Datum 2017 aufweist und im Jahr 2017 bereits eine Frontscheibe ausgetauscht worden war. Aus dem Privatgutachten des Sachverständigen F...... vom 13.10.2020 geht aber auch nicht hervor, dass ein Glasschaden (noch) vorhanden ist. Entweder ist gar kein Frontschaden im November 2019 entstanden, dann läge eine vorsätzliche Täuschung durch die Beklagte vor, oder der Schaden ist eingetreten und - wie die Beklagte vorträgt - mit einer auf Vorrat gekauften alten Frontscheibe aus dem Jahr 2017 behoben worden. Die Beweislast für eine vorsätzliche Täuschung und das Vorliegen einer Scheinrechnung trägt die Klägerin. Die Beklagte hat konkret zur Auswechslung der Frontscheibe vorgetragen und den Werkstattmeister als Zeugen zur Vorratshaltung benannt (Seite 4 der Klageerwiderung). Sie ist damit ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen. Es wäre nun Sache der Klägerin ihrerseits Zeugen für die nicht durchgeführte Reparatur des Glasschadens vom 13.11.2019 zu benennen. Sie hat jedoch keine geeigneten Beweismittel benannt.

    bb)

    Die Klägerin hat nicht unter Beweis gestellt, dass sie ohne Rechtsgrund geleistet hat, § 812 Abs.1 BGB. Wie bereits ausgeführt trägt die Klägerin die Beweislast dafür, dass kein Schaden vorlag und die Reparatur auch nicht durchgeführt wurde. Dafür hat sie mit dem Gutachten zwar ein Indiz vorgetragen, aber - wie bereits ausgeführt - im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten kein geeignetes Beweismittel benannt.

    3.

    Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten und der unsubstantiiert behaupteten Kosten der Schadensermittlung von 700 EUR.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.

    Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.