· Übertragung von Gesellschaftsanteilen
Beginn der 10-Jahresfrist bei Quotennießbrauch und Zeitpunkt der Wertermittlung bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen

Werden Gesellschaftsanteile unter Vorbehalt eines Quotennießbrauchs unentgeltlich übertragen, hindert dies den Beginn der Abschmelzungsfrist i. S. d. § 2325 BGB, wenn eine wirtschaftliche Ausgliederung aus dem Vermögen des Übergebers nicht erfolgt. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn sich der Übergeber einen Quotennießbrauch i. H. v. 95 % an den Gesellschaftsanteilen vorbehält. Der Pflichtteilsberechtigte kann als Ausfluss des Niederstwertprinzips verlangen, dass eine vom Erblasser verschenkte Immobilie zu den Stichtagen des Schenkungsvollzugs und des Erbfalls bewertet wird, um den maßgeblichen Wert für die Bezifferung seines Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu ermitteln (OLG München 10.11.25, 33 U 1573/24 e, Abruf-Nr. 248650 ).
von RA und Notar, StB, FA ErbR Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn
Sachverhalt
Nach dem Tod der E machten Enkelkinder im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Sohn S als Erben geltend. Unter anderem wird die Wertermittlung zweier Immobilien verlangt, die zum Betriebsvermögen einer in 2008 gegründeten GmbH & Co. KG gehören und an der die E als Kommanditistin zu 50 % beteiligt war. Die übrigen 50 % standen im Eigentum des vorverstorbenen Ehemanns der E. Die E und ihr Ehemann hatten noch im Jahr 2008 jeweils 47,5 % ihrer Gesellschaftsanteile auf S übertragen; in dem Übertragungsvertrag haben sich die Übergeber einen Quotennießbrauch an den übertragenen Gesellschaftsanteilen vorbehalten und folgende Regelung getroffen:
„Jeder Übergeber behält sich den Quotennießbrauch an dem übertragenen Gesellschaftsanteil auf seine Lebensdauer mit der Folge vor, dass 95 % aller entnahmefähigen Gewinne dem Nießbraucher zustehen, während auf den Erwerber 5 % der entnahmefähigen Gewinne entfallen. Dagegen gebühren außerordentliche Erträge im vollen Umfang dem Erwerber, sodass der Nießbraucher daran nicht beteiligt ist.“ Weiter ist geregelt: „Im Falle der Veräußerung des nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils oder von wesentlichen Betriebsgrundlagen der Gesellschaft setzt sich der Nießbrauch am Surrogat des Nießbrauchers fort.“
S ist dem Wertermittlungsanspruch entgegengetreten. Die Immobilien seien schon deswegen nicht zu bewerten, weil sie nicht den Gegenstand der Übertragung bildeten, vielmehr seien die Gesellschaftsanteile übertragen worden. Im Übrigen sei die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB bereits abgelaufen. Auch habe es sich nicht um eine Schenkung gehandelt.
Entscheidungsgründe
Beide Grundstücke bzw. die Gesellschaftsanteile gehören zum fiktiven Nachlass, denn es handelt sich um Gegenstände, die die E zu Lebzeiten unentgeltlich auf den S übertragen hat. Der Einwand des S, es habe sich nicht um eine Schenkung gehandelt, da seine Arbeitsleistung Gegenleistung war, ließ das Gericht nicht gelten. Dagegen spreche bereits der Wortlaut der notariellen Urkunde, in der ausdrücklich geregelt wurde, dass die Übertragung „unent-geltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ erfolgt.
Auch ist die Frist des § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB noch nicht abgelaufen. Sie begann hinsichtlich der Gesellschaftsanteile erst mit dem Erbfall zu laufen, da der Quotennießbrauch den Fristbeginn hindert. Die Frist des § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB beginnt nicht mit der Übertragung des Eigentums zu laufen, wenn der Schenker den verschenkten Gegenstand aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte im Wesentlichen weiter nutzt (BGH 27.4.1994, IV ZR 132/93, NJW 1994, 1791). Das vollumfassende Nießbrauchsrecht verhindert den Fristbeginn, unabhängig davon, ob es sich um ein Grundstück oder um Gesellschaftsanteile handelt.
Verbleiben wie hier 95 % der entnahmefähigen Gewinne beim Übergeber, liegt eine wirtschaftliche Ausgliederung nicht vor. Dass die außerordentlichen Erträge allein dem S zufallen sollten, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Bei den hier betroffenen Mietshäusern wäre nur der bei einer Veräußerung erzielte Erlös als außerordentlicher Ertrag vorstellbar. An diesem Erlös würde sich jedoch nach der Regelung im Übertragungsvertrag der Nießbrauch fortsetzen, sodass der S zu keinem Zeitpunkt freie Mittel erlangen konnte, auf die die E keinen Zugriff gehabt hätte. Zudem behielt die E das Stimmrecht in der Gesellschaft, sodass sie, wie vor der Übertragung, alle wesentlichen Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb selbst treffen konnte.
Relevanz für die Praxis
Das Gericht stellt nochmals klar, dass der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen seines Wertermittlungsanspruchs keinen Anspruch darauf hat, dass das Wertegutachten von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen angefertigt wird. Erforderlich ist allein die Sachkunde des beauftragten Sachverständigen. Hierfür trägt der Auskunftsverpflichtete allerdings die Beweislast.
Weiter stellt das Gericht nochmals klar, dass bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen eine zweifache Wertermittlung verlangt werden kann; und zwar auf den Zeitpunkt der Schenkung und auf den Zeitpunkt des Todes des Schenkers. Dies ergibt sich aus dem in § 2325 Abs. 2 BGB verankerten Niederstwertprinzip bei nicht verbrauchbaren Sachen. Im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs kommen nicht verbrauchbare Sachen mit ihrem Wert zur Zeit des Erbfalls in Ansatz; bei einer zwischenzeitlichen Wertsteigerung jedoch nur mit dem Wert zur Zeit der Schenkung, also des Schenkungsvollzugs.