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  • · Konsequenzen der BGH-Entscheidung für die Praxis

    Zwangsweise Entsperrung von Smartphones im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen

    Bild: © sabyna75 - stock.adobe.com

    von Lukas Hendricks, Bonn

    | Digitale Beweismittel nehmen im Steuerstrafverfahren eine immer größere Rolle ein. Smartphones, Tablets und Laptops enthalten nicht nur private Korrespondenz, sondern auch geschäftliche Kommunikation, Bank-Apps, E-Mails mit Steuerberatern, Buchführungssoftware oder Zugänge zu Zahlungsdienstleistern. Der BGH (13.3.25, 2 StR 232/24, Abruf-Nr. 248247 ) hat entschieden, dass die Ermittlungsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen die zwangsweise Entsperrung eines Smartphones mittels biometrischer Merkmale vornehmen darf. |

    1. Entscheidung

    Der BGH hat entschieden, dass die zwangsweise Entsperrung eines Smartphones durch biometrische Merkmale (Fingerabdruck, Gesichtserkennung) unter engen Voraussetzungen zulässig ist, wenn

    • 1. ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorliegt, der das Gerät und den Tatverdacht konkret bezeichnet,
    • 2. die Maßnahme verhältnismäßig ist, also insbesondere zur Aufklärung der Tat erforderlich, geeignet und dem Betroffenen zumutbar und
    • 3. kein milderes Mittel (z. B. freiwillige Herausgabe oder Passwortangabe) zur Verfügung steht.

     

    Der BGH wertet das Auflegen eines Fingers bzw. das Aktivieren einer Face-ID durch Dritte als passives Dulden, nicht als eine vom Beschuldigten abgegebene (aktive) Aussage. Deshalb greift nach Auffassung des Gerichts das (strafprozessuale) Schweige-/Selbstbelastungsrecht nicht in gleicher Weise bei biometrischer Entsperrung wie bei der Preisgabe eines Passworts oder einer PIN. Die Entscheidung stellt damit eine deutliche Abgrenzung zwischen biometrischer Entsperrung einerseits und der Preisgabe von geheimen Kenntnissen (Passwort/PIN) andererseits auf.

     

    Der Tenor der Entscheidung lautet: Der Versuch der Ermittlungsbehörden, Zugang zu den auf einem Mobiltelefon eines Beschuldigten gespeicherten Daten durch zwangsweises Auflegen von dessen Finger auf den Fingerabdrucksensor zu erlangen, ist von § 81b Abs. 1 StPO i. V. m. §§ 94 ff. StPO als Ermächtigungsgrundlage jedenfalls dann gedeckt, wenn eine zuvor nach §§ 102, 105 Abs. 1 StPO richterlich angeordnete Durchsuchung gerade auch dem Auffinden von Mobiltelefonen dient und der beabsichtigte Datenzugriff trotz seiner Eingriffsintensität verhältnismäßig ist.

     

    Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen ‒ auch für die Steuerfahndungspraxis.

     

    • Der BGH stellt klar
    • 1. Die Preisgabe von Passwörtern oder PINs ist eine aktive geistige Leistung und unterliegt dem Schweigerecht des Beschuldigten.
    • 2. Die biometrische Entsperrung (Finger auf den Sensor das Smartphones legen, Kamera vor das Gesicht halten) gilt hingegen als passives Dulden. Sie ist keine Aussagehandlung und darf unter bestimmten Umständen unter Anwendung unmittelbaren Zwangs erzwungen werden.
    • 3. Grenzen für die Zulässigkeit dieser Maßnahmen zieht das Verhältnismäßigkeitsprinzip: Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn sie angesichts der Schwere der Straftat und der Beweisrelevanz der Daten angemessen erscheint.
     

    2. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

    Der entschiedene Fall des BGH betraf keinen Fall der Steuerhinterziehung, sondern den Tatvorwurf der Erstellung und des Besitzes kinderpornographischer Inhalte.

     

    Im Rahmen einer richterlich angeordneten Durchsuchung wurden Mobiltelefone sichergestellt und mittels biometrischer Entsperrung zwangsweise geöffnet. Bereits im Rahmen der Verhandlung widersprach der Verteidiger der Erhebung und Verwertung dieser Beweise. Mit seiner späteren Revision rügte er die Verletzung des § 261 StPO und berief sich auf ein Beweisverwertungsverbot. Für die Entschlüsselung der beiden Mobiltelefone durch polizeiliche Zwangsmaßnahmen existiere keine Rechtsgrundlage. Der Angeklagte sei dadurch in seiner Selbstbelastungsfreiheit sowie in seinem Recht auf ein faires Strafverfahren und auf informationelle Selbstbestimmung verletzt worden.

     

    Der BGH bestätigte allerdings die Verwertbarkeit der so erlangten Daten.

    3. Begründung des BGH

    Ermächtigungsgrundlage für diese Maßnahme ist laut BGH § 81b Abs. 1 StPO i. V. m. §§ 94 ff. StPO (so auch OLG Bremen 8.1.25, 1 ORs 26/24; LG Ravensburg, 14.2.23, 2 Qs 9/23 jug.; AG Baden-Baden 13.11.19, 9 Gs 982/19).

     

    Nach dem Wortlaut des § 81b Abs. 1 StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Das Auflegen des Fingers zum Entsperren des Smartphones sah der BGH als „ähnliche Maßnahme“ im Sinne der Norm, die dazu diene, biometrische Daten festzustellen und mit bereits gespeicherten abzugleichen.

     

    Der BGH betont zunächst, dass § 81b Abs. 1 StPO lediglich die zwangsweise Entsperrung eines Smartphones erlaubt, nicht aber selbst den Zugriff auf die gespeicherten Inhalte. Der Zugriff und die Sicherung der Daten erfolgt nachfolgend vielmehr auf Grundlage der §§ 94, 110 StPO (Beschlagnahme und Durchsicht). Diese Vorschriften unterliegen eigenen Anforderungen und enthalten zugleich eine enge Zweckbindung: Die gewonnenen Daten dürfen ausschließlich zur Aufklärung der konkret verfolgten Straftat verwendet werden. Eine richterliche Kontrolle stellt dabei regelmäßig sicher, dass die Maßnahme rechtlich überprüft wird.

     

    Der BGH ordnet die zwangsweise Entsperrung eines Smartphones auch unionsrechtlich ein. Da es sich um den Versuch handelt, Zugriff auf personenbezogene Daten zu erhalten, fällt die Maßnahme in den Anwendungsbereich der Datenschutz-Richtlinie 2016/680/EU. Der EuGH hatte bereits entschieden, dass schon der Versuch des Zugriffs als „Verarbeitung“ personenbezogener Daten gilt.

     

    Die Richtlinie steht einer Entsperrung ohne Einwilligung jedoch nicht grundsätzlich entgegen. Sie erlaubt Einschränkungen der Grundrechte auf Datenschutz (Art. 8 GRC) und Privatleben (Art. 7 GRC), sofern diese im Einklang mit Art. 52 Abs. 1 GRC gerechtfertigt sind. Ermittlungsmaßnahmen zur Aufklärung von Straftaten erfüllen regelmäßig ein legitimes Gemeinwohlziel und sind damit prinzipiell zulässig.

     

    Zwar ist das zwangsweise Auflegen des Fingers auf den Sensor ein Eingriff in die körperliche Sphäre, doch dieser ist vom äußeren Ablauf her nicht besonders belastend. Entscheidend ist vielmehr der Zugang zu den gespeicherten Daten, der einen schwerwiegenden Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung darstellt. Auf einem Mobiltelefon befinden sich typischerweise sehr umfangreiche persönliche Informationen, deren Auswertung detaillierte Rückschlüsse auf das private und berufliche Leben erlaubt.

     

    Die Schwere des Eingriffs führt aber nicht zur Unzulässigkeit der Maßnahme. Vielmehr verlangt sie eine besonders strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung: Es ist darauf zu achten, dass nur die für das Verfahren relevanten Daten gesichert und ausgewertet werden. Eine umfassende Durchsicht des gesamten Datenbestands kommt nur in Betracht, wenn dies durch den Tatvorwurf gerechtfertigt ist.

     

    Entscheidend ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Vor einer Entsperrung ist stets zu prüfen, ob die Schwere der Tat und die Stärke des Tatverdachts den erheblichen Grundrechtseingriff rechtfertigen. Auch die Relevanz der auf dem Gerät vermuteten Daten und ihr Zusammenhang mit der Straftat sind zu berücksichtigen. Besteht kein Bezug zur Nutzung des Smartphones, kommt eine zwangsweise Entsperrung nicht in Betracht.

     

    Die Sicherstellung von Mobiltelefonen erfolgt i. d. R. im Rahmen einer richterlich angeordneten Durchsuchung. Bereits der Durchsuchungsbeschluss nach §§ 102, 105 StPO muss erkennen lassen, welche Beweismittel gesucht werden und warum auch auf Mobiltelefonen relevante Daten vermutet werden. Damit ist die Maßnahme stets vorab durch den Ermittlungsrichter auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft und inhaltlich begrenzt.

     

    Im konkreten Verfahren hatte das AG Köln die Durchsuchung der Wohnräume und der Person des Angeklagten angeordnet. Der Beschluss umfasste ausdrücklich das Auffinden elektronischer Speichermedien wie Mobiltelefone.

     

    Dass der Beschluss keine ausdrückliche Anordnung zur Entsperrung nach § 81b StPO enthielt, war nach Ansicht des Gerichts unschädlich. Mit der Billigung der Durchsuchung und Sicherstellung von Mobiltelefonen war auch die Entsperrung als notwendige Begleitmaßnahme erfasst, unabhängig davon, ob eine PIN oder biometrische Sperre zu überwinden war.

    4. Abgrenzung zur Steuerhinterziehung

    Die Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ist ein Vermögensdelikt. Beweisziel sind typischerweise elektronische Buchhaltungen, Banking-Apps, E-Mails mit Geschäftspartnern. Allerdings unterscheidet sich die Eingriffsintensität. Bei Steuerhinterziehung einfacher und mittlerer Schwere ist die biometrische Erzwingung schwerer zu rechtfertigen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewinnt dadurch besonderes Gewicht.

     

    Der zugrunde liegende Tatvorwurf (herstellen/besitzen/verbreiten kinderpornographischer Inhalte) im Urteilsfall ist qualitativ selbstredend anders gelagert als der klassische Vorwurf der Steuerhinterziehung. Während bei Sexual-/Gewaltdelikten häufig besonders schutzwürdige Beweismittel (Medien, Chats, Bilder, Dateien) unmittelbar auf dem Gerät gespeichert sind, zielen Steuerstrafverfahren oft auf steuerlich relevante Dokumente, Buchungsunterlagen, E-Mails, Excel-Dateien, Bankzugänge, Buchführungs-Apps aber auch Chatverläufe und Messengernachrichten etc. ab. Rechtsfolgen und Ermittlungsintensität mögen unterschiedlich begründet sein. Rechtlich ist die Zulässigkeit einer Durchsuchung und damit auch die Zulässigkeit begleitender Zwangsmaßnahmen jedoch nicht vom Deliktstyp isoliert abhängig, sondern von den prozessualen Voraussetzungen (Richterbeschluss, Verhältnismäßigkeit, konkrete Anhaltspunkte).

     

    Das bedeutet: Die BGH-Entscheidung ist grds. auch im Steuerstrafverfahren relevant ‒ die rechtliche Einordnung der Maßnahme bleibt aber einzelfallabhängig.

     

    • Beispiele

    Zulässiger Fall (ermessensgerecht)

    Ein Steuerpflichtiger steht im Verdacht, über Scheinrechnungen und Strohmänner systematisch Vorsteuerbetrug in Millionenhöhe begangen zu haben. Die Ermittlungsbehörden haben Hinweise, dass sich auf seinem Smartphone Chatverläufe mit Komplizen, Cloud-Zugänge und Fotodokumentationen von Rechnungen befinden. Der Beschluss eines Ermittlungsrichters umfasst das Gerät oder das Aufsuchen von elektronischen Geräten.

     

    Bewertung:

    • Der Eingriff ist erforderlich (andere Mittel erfolglos)
    • Geeignet (Beweise befinden sich konkret auf dem Gerät),
    • Verhältnismäßig, da das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung erheblich ist
    • → Zwangsweise Entsperrung zulässig

    Unzulässiger Fall (nicht ermessensgerecht)

    Ein selbstständiger Architekt steht im Verdacht, in seiner Einkommensteuererklärung 2021 einige private Aufwendungen (ca. 8.000 EUR) zu Unrecht als Betriebsausgaben geltend gemacht zu haben. Das FA veranlasst eine Durchsuchung seiner Wohnung und möchte sein Smartphone biometrisch entsperren lassen, um „alle geschäftlichen und privaten Unterlagen“ zu durchsuchen. Es gibt jedoch keine konkreten Anhaltspunkte, dass relevante Belege oder Nachweise nur auf dem Gerät gespeichert sind.

     

    Bewertung:

    • Kein schwerwiegender Tatvorwurf
    • Keine konkrete Beweisgefahr
    • Unverhältnismäßig, weil massiver Eingriff in die Privatsphäre ohne hinreichenden Aufklärungswert
    • → Zwangsweise Entsperrung nicht ermessensgerecht
     
    • Abgrenzungskriterien in der Praxis
    Kriterium
    Bedeutung

    Tatgewicht

    Je schwerer und organisierter der Tatvorwurf, desto eher zulässig

    Beweisrelevanz

    Konkrete Anhaltspunkte, dass sich relevante Daten auf dem Gerät befinden

    Subsidiarität

    Kein milderes Mittel verfügbar (z. B. Sicherung aus Cloud, Backup, Zeugenbefragung)

    Privatsphärenschutz

    Besondere Zurückhaltung bei Privatpersonen ohne geschäftliche Nutzung des Geräts.

    Richterliche Begründung

    Der Beschluss muss den konkreten Zweck und Umfang der Maßnahme benennen

    Typischer Vorwurf
    Strafrahmen
    Gewichtung/Eingriffsintensität
    Bewertung für Zwangsmaßnahme

    Einfache Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO), z. B. unvollständige Einnahmeerfassung oder zu hohe Werbungskosten

    Freiheitsstrafe bis fünf Jahre oder Geldstrafe

    geringes bis mittleres öffentliches Interesse, i. d. R. keine Gefährdung öffentlicher Sicherheit

    zwangsweise Entsperrung nicht angemessen, wenn keine konkreten Hinweise auf Beweise auf dem Gerät vorliegen

    Gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 AO)

    bis zu zehn Jahre

    erhebliches öffentliches Interesse, hoher Aufklärungswert

    zulässig, wenn das Gerät mutmaßlich Beweismittel enthält (z. B. Chatverläufe mit Komplizen, Buchführungs-Apps, Zahlungsnachweise)

    Selbstständige Steuerhinterziehung von großem Ausmaß (> 50.000 EUR)

    Regelfall Freiheitsstrafe, ab 1 Mio. EUR Schaden i. d. R.. ohne Bewährung

    gewichtiger Tatverdacht, hoher Aufklärungswert

    zulässig, wenn konkrete Beweise auf dem Gerät vermutet werden

    Steuerverkürzungen durch Organisationsverschleierung (z. B. Offshore-Strukturen, Krypto-Wallets, Umsatzsteuerkarussell) oder Belegfälschung

    regelmäßig schwere Tat nach § 370 Abs. 3 AO

    besonders hohes öffentliches Interesse

    zwangsweise Entsperrung regelmäßig verhältnismäßig

     

    5. Verhalten bei Durchsuchungen durch die Steuerfahndung

    Beim Eintreffen der Durchsuchungsbeamten sollte höflich, aber bestimmt Einsicht in den richterlichen Durchsuchungsbeschluss (schriftlich vorlegen lassen) verlangt werden und dessen Umfang (z. B. welche Räume, welche Gegenstände, welche Datenquellen ausdrücklich erfasst sind) geprüft werden. Insbesondere sollte geprüft werden, ob der Beschluss ausdrücklich das Auffinden elektronischer Speichermedien wie Mobiltelefone umfasst. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Steuerfahndung in einschlägigen Fällen eine entsprechende Ermächtigung künftig standardmäßig mit beantragen wird. Die unverzügliche Hinzuziehung eines erfahrenen Fachanwalts oder des Steuerberaters ist in derartigen Fällen unbedingt zu empfehlen.

     

    Die freiwillige Preisgabe von Passwörtern/PINs kann auch weiterhin verweigert werden (Schweigerecht) ‒ die Verweigerung der Herausgabe eines geheimen Passworts bleibt nach der BGH-Begründung besonders geschützt. Nach BGH kann die Behörde lediglich die (passive) biometrische Entsperrung (Finger/Face) unter den genannten Voraussetzungen erzwingen.

     

    Bei dem konkreten Versuch einer biometrischen Erzwingung sollten Sie die Anwesenheit eines Richters bzw. die unmittelbare Feststellung der richterlichen Anordnung verlangen, falls die Maßnahme ohne deutlich erkennbaren Beschluss durchgeführt werden soll.

     

    Besteht ein entsprechender Durchsuchungsbeschluss, dokumentieren Sie Umfang und Zeitpunkt sowie beteiligte Beamte (Dienstnummern) und lassen Sie eine förmliche Beschlagnahme-/Durchsuchungsniederschrift anfertigen.

    Suchen Sie jedoch nicht gewaltsam Widerstand; unmittelbarer körperlicher Widerstand kann straf- und zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen.

    6. Angriffsmöglichkeiten gegen die Verwertung

    Formelle Mängel (z. B. keine richterliche Entscheidung, Überschreitung des Durchsuchungsumfangs, unsachgemäße Anwendung unmittelbaren Zwangs) können ein Beweisverwertungsverbot nach § 136a StPO oder allgemeiner nach den Grundsätzen zur Verwertung rechtswidrig erlangter Beweise begründen. Verteidigung und Nebenkläger sollten solche Fehler aktenkundig machen und Beschwerde erheben bzw. rügen. Auch ist ein solcher Eingriff bei leichter Steuerhinterziehung in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit fraglich. Dennoch gilt laut BGH, dass selbst für eine rechtswidrige Beweiserhebung kein Verwertungsverbot per se besteht.

    7. Technische Präventionsmaßnahmen

    Um den ungewollten Zugriff auf ihre Geräte zu erschweren, können nachfolgende Maßnahmen angezeigt sein. Als Steuerberater sollten Sie Mandanten allerdings keine Anweisung zur rechtswidrigen Beweismittelvernichtung geben. Die folgenden Hinweise sind als legale Schutzmaßnahmen für Daten- und Privatsphärerisiken zu verstehen ‒ sie dienen dem Schutz vor unbefugtem Zugriff im Alltag und der Risikominimierung (nicht als Anleitung zur Strafverfolgungsvermeidung).

     

    7.1 Passwort statt ausschließlich biometrischer Entsperrung

    Verwenden Sie eine starke, lange alphanumerische Sperre (Passphrase) anstelle von reiner biometrischer Entsperrung. Biometrie ist praktisch, aber nach der BGH-Entscheidung leichter zu entsperren. Ein starkes Passwort bleibt rechtlich anders bewertet (Die Preisgabe bleibt geschützt).

     

    7.2 Biometrie deaktivieren / Sicherheitsoptionen nutzen

    In betrieblichen Geräten kann die biometrische Entsperrung zentral deaktiviert und die Passphrasenpflicht erzwungen werden (Mobile Device Management, MDM-Profile). Unternehmen sollten Richtlinien zur Geräteverwaltung und Zugangskontrolle einführen.

     

    7.3 Verschlüsselung und sichere Container

    Moderne Smartphones sind im Regelfall bereits auf Dateisystemebene verschlüsselt. Zusätzlich können verschlüsselte Container-Apps oder secure-vault-Funktionen genutzt werden, um besonders sensible Daten gesondert zu schützen. Aber Achtung: Die Verschlüsselung schützt gegen Zugriff ohne Entsperrung, nicht gegen das Entsperren durch biometrischen Zwang.

     

    7.4 Zusammenfassende Empfehlungen zur Datensicherheit

    • Starke Passwörter statt nur Biometrie.
    • Biometrische Entsperrung deaktivieren.
    • Verschlüsselung und Container-Apps nutzen.

    8. Bedeutung für die Praxis der Steuerfahndung

    Die Entscheidung zeigt: Die Steuerfahndung kann leichter auf verschlüsselte Daten zugreifen. Verteidigungsstrategien sind Prävention, technische Sicherung über biometrische Zugangskontrollen hinaus, Dokumentation und sofortige prozessuale Intervention. Die Steuerfahndung ist organisatorisch Teil der Finanzverwaltung, rechtlich gesehen aber eine Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft (§ 404 AO i. V. m. § 152 GVG). Damit gilt:

     

    • Die Steuerfahndung hat im Steuerstrafverfahren dieselben Befugnisse wie die Polizei, soweit es um strafprozessuale Ermittlungen geht.
    • Grundlage ist nicht die AO allein, sondern vor allem die Strafprozessordnung (StPO). Die Steuerfahnder dürfen daher auch Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Sicherstellungen nach den §§ 94 ff., 102 ff. StPO durchführen ‒ allerdings stets unter den gleichen Voraussetzungen wie die Polizei.

     

    • Konkret zur BGH-Entscheidung (biometrische Entsperrung)
    • Wenn die Steuerfahndung im Rahmen einer richterlich angeordneten Durchsuchung ein Smartphone sicherstellt, kann sie sich auf dieselben Befugnisse stützen wie die Polizei.
    • Das heißt: Auch Steuerfahnder dürfen ‒ unter den Voraussetzungen des § 81b Abs. 1 StPO i. V. m. §§ 94, 110 StPO und bei gewahrter Verhältnismäßigkeit ‒ die zwangsweise biometrische Entsperrung veranlassen.
    • Die rechtlichen Hürden (richterlicher Beschluss, konkrete Verdachtslage, Verhältnismäßigkeit) gelten dabei exakt gleich.
     

    9. Fazit

     

    Mit dem Beschluss vom 13.3.25 hat der BGH die Tür für den zwangsweisen Zugriff auf biometrisch gesicherte Smartphones geöffnet. Für das Steuerstrafverfahren bedeutet dies: Schweigerecht gilt nur für Passwörter/PINs. Eine biometrische Entsperrung kann bei einem entsprechend formulierten Durchsuchungsbeschluss erzwungen werden. Steuerberater sollten Mandanten entsprechend informieren. Dazu kann das beigefügte Schreiben genutzt werden.

     

    Checkliste / Mandanteninformation

    Dürfen Ermittler Ihr Handy durch Fingerabdruck oder Face-ID zwangsweise entsperren? Neue BGH-Entscheidung vom 13.3.25 und ihre Bedeutung für Steuerstrafverfahren

     

    1. Aktuell

    Der BGH hat entschieden, dass Ermittlungsbehörden ein Smartphone unter bestimmten Voraussetzungen auch zwangsweise per Fingerabdruck oder Face-ID entsperren dürfen. Voraussetzung ist ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss, der die Sicherstellung von Mobiltelefonen umfasst, und die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

     

    2. Wann ist eine zwangsweise Entsperrung erlaubt?

    Eine zwangsweise Entsperrung durch biometrische Merkmale ist nur zulässig, wenn:

    • ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorliegt, der das Gerät oder elektronische Geräte ausdrücklich nennt;
    • die Maßnahme zur Aufklärung der Tat erforderlich ist;
    • sie verhältnismäßig ist ‒ also kein milderes Mittel zur Verfügung steht;
    • ein erheblicher Steuerstrafvorwurf besteht (z. B. gewerbsmäßige oder besonders schwere Steuerhinterziehung).

     

    Wichtig:

    • PINs und Passwörter müssen weiterhin nicht herausgegeben werden (Schweigerecht).
    • Biometrische Entsperrung kann dagegen durchgesetzt werden, da es sich um ein „passives Dulden“ handelt.

     

    3. Bedeutung für Steuerstrafverfahren

    Auch in Steuerverfahren spielen Smartphones, Tablets und Laptops eine wichtige Rolle:

    • Sie enthalten oft Banken- oder Zahlungsverkehrs-Apps, E-Mails oder Chatverläufe.
    • Die Steuerfahndung wird daher künftig verstärkt versuchen, auch auf diese Daten zuzugreifen.
    • Ob die zwangsweise Entsperrung zulässig ist, hängt immer von der Schwere des Vorwurfs und der Bedeutung der Daten im Einzelfall ab.

     

    4. Wann ist eine Entsperrung nicht gerechtfertigt?

    Wenn der Tatvorwurf gering ist oder keine konkreten Hinweise bestehen, dass sich relevante Daten auf dem Gerät befinden, ist eine zwangsweise Entsperrung unverhältnismäßig. Beispiel: Eine geringfügige Einkommensteuerverkürzung ohne Hinweise auf Beweisdaten auf dem Smartphone.

     

    5. Ihr Verhalten bei einer Durchsuchung

    • Ruhig bleiben, keine Gegenwehr leisten.
    • Durchsuchungsbeschluss einsehen und prüfen.
    • PIN oder Passwörter nicht preisgeben ‒ Sie haben ein Schweigerecht.
    • Wird versucht, das Smartphone per Finger oder Face-ID zu entsperren: Dokumentieren, wer dies anordnet und durchführt. Enthält der Durchsuchungsbeschluss keine entsprechende Grundlage der Maßnahme sofort widersprechen.
    • Sofort einen Fachanwalt für Strafrecht/Steuerstrafrecht kontaktieren.

     

    6. Technische Schutzmaßnahmen

    • Verwenden Sie starke Passwörter (lange Passphrasen).
    • Biometrische Entsperrung deaktivieren, wenn besondere Risiken bestehen.
    • Nutzen Sie verschlüsselte Container-Apps für sensible Daten.
    • Trennen Sie private und geschäftliche Geräte.

     

    7. Fazit

    • PIN/Passwörter sind geschützt, Fingerabdruckscanner/Face-ID nicht.
    • Für Sie bedeutet dies: Smartphones können bei einer Durchsuchung leichter geöffnet werden.
    • Wichtig sind Vorbereitung (Datensicherheit) und professionelle Begleitung im Ernstfall.

     

    Sollte die Steuerfahndung bei Ihnen klingeln, rufen Sie uns unverzüglich an unter: Tel. XXXX/XXXXX

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2025 | Seite 313 | ID 50580114