· Unternehmerisches Denken
Liquidität sichern und Freiraum schaffen mit dem Cashflow-Quadranten

von RA Maximilian Krämer LL.M., FA StR, DNK Rechtsanwälte PartGmbB, München
| Viele Kanzleien planen Gewinne ‒ aber keine Liquidität. Erst wenn Steuern, Gehälter oder Mieten fällig werden, zeigt sich, ob das Konto „mitplant“. Der Cashflow-Quadrant hilft Ihnen dabei, Finanzströme sichtbar zu machen: Wo kommt das Geld her, wo geht es hin, und was bleibt wirklich übrig? Wenn Sie Ihren Cashflow verstehen und vorausschauend steuern, gewinnen Sie Ruhe, Kontrolle und Handlungsspielraum im Kanzleialltag. Denn Sie sind nicht ausschließlich Jurist, sondern auch Unternehmer. |
Liquidität verstehen: Warum sie wichtiger ist als Gewinn
Gewinn entsteht auf dem Papier, Liquidität auf dem Konto. Viele Kanzleien wirken profitabel, geraten aber in Engpässe, wenn Mandanten später zahlen oder Steuerzahlungen anstehen. Ein häufiger Denkfehler ist, Einnahmen mit dem verfügbaren Geld zu verwechseln. Das Ergebnis: Das Jahr läuft gut, aber das Konto ist leer.
Liquidität ist kein Nebenthema, sondern das wichtigste Steuerungsinstrument der Kanzlei. Sind Sie liquide, sind Sie unabhängig und haben Entscheidungsspielräume ‒ ob für Investitionen, Neueinstellungen oder Ausschüttungen.
Die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) zeigt die Ertragslage auf Basis der Buchhaltung ‒ also, welche Umsätze, Kosten und Gewinne in einem bestimmten Zeitraum entstanden sind. Sie erklärt die Vergangenheit. Die Liquiditätsplanung dagegen blickt nach vorn: Sie zeigt, wann Zahlungen eingehen, wann sie fällig werden und wie viel tatsächlich verfügbar bleibt.
Gerade in Wachstumsphasen entscheidet die Steuerung des Cashflows über Stabilität. Mehr Mandate bedeuten oft auch höhere Auslagen, längere Zahlungsziele und steigende Steuerlast.
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Ein Mandant zahlt zwei größere Rechnungen erst im nächsten Monat. Gleichzeitig sind Gehälter und die USt-Voranmeldung fällig. Auf dem Konto steht zwar ein Plus, aber nach Abzug von Umsatzsteuer, Steuer-Rücklage und kurzfristig fälligen Zahlungen bleibt kaum frei verfügbares Geld. Wenn Sie Rücklagen geplant haben und die fälligen Zahlungen im Blick haben, bleibt der Monat ruhig ‒ ohne Dispo, ohne Hektik. |
Der Cashflow-Quadrant: Vom S-Modus zum B-Modus
Robert Kiyosaki, Unternehmer und Autor der Buchserie „Rich Dad, Poor Dad“, unterscheidet mit dem sog. Cashflow-Quadranten vier Arten, Einkommen zu erzielen:
E (Employee) Angestellte tauschen Zeit gegen Geld. | B (Business Owner) Unternehmer besitzen oder steuern Systeme, die Einkommen schaffen ‒ auch ohne ihren eigenen Arbeitseinsatz. |
S (Self-employed) Selbstständige und kleine Unternehmen tauschen mehr Zeit für mehr Geld. | I (Investor) Investoren lassen Kapital für sich arbeiten. |
Die meisten Kanzleien bewegen sich im Quadranten S: Sie sind selbstständig, aber nicht wirklich unternehmerisch tätig. Die Kanzlei läuft nur, wenn der Inhaber arbeitet. Zeit und Einkommen sind direkt miteinander gekoppelt. Diese Inhaber delegieren ungerne ‒ „weil es keiner so gut kann“.
Im Quadranten B dagegen arbeitet das System ‒ nicht nur die Person als Inhaber oder Partner. Das Geschäft bleibt durch geplante Prozesse, delegierte Aufgaben und klare Zuständigkeiten stabil, auch wenn der Inhaber im Gerichtssaal steht oder im Urlaub ist. Hier wird Liquidität bewusst gesteuert, nicht nur beobachtet. Der Unternehmer hat ein System etabliert, das auch ohne seine eigene tägliche Arbeit funktioniert und hat die Fähigkeit, Menschen zu führen und sie wachsen zu lassen.
Der Schritt von „“ zu „B“ ist ein Wechsel im Denken: Vom „Ich arbeite für mein Einkommen“ hin zu „Mein System schafft Wert“.
Das Ziel ist nicht, weniger zu arbeiten, sondern besser zu steuern, um nicht ständig (spontan) reagieren zu müssen.
So wenden Sie den Cashflow-Quadranten an
Er hilft, Prioritäten zu setzen (Rücklagen, Investitionen, Ausschüttungen). Er ersetzt aber kein Controlling. Entscheidend ist die Kombination mit BWA und Steuerplanung.
Der Cashflow-Quadrant lässt sich direkt in den Kanzleialltag übertragen. Jede Kanzlei bewegt Geld in vier Bereichen:
Einnahmen Honorare und Vorschüsse | Ausgaben Fixkosten und variable Kosten ‒ etwa Personal, Miete, Software oder Fortbildung |
Investitionen Ausbau von IT, Marketing, Mitarbeiterentwicklung | Rücklagen Steuern, Liquiditätsreserven und geplante Entnahmen |
Ihr Ziel sollte sein, alle vier Bereiche im Blick zu behalten und regelmäßig zu prüfen, ob sie im Gleichgewicht sind. Typisch für den S-Modus ist das Denken in Monaten: „Was ist gerade auf dem Konto?“. Typisch für den B-Modus ist dagegen das Denken in Zyklen: „Was passiert im nächsten Quartal, wenn Steuern, Boni und Investitionen zusammenfallen?“
Eine einfache Excel-Tabelle oder ein digitales Kanzlei-Dashboard genügt, um monatlich zu erkennen, ob das System Ihrer Kanzlei funktioniert. Wichtig ist nicht das Tool, sondern die Routine: Wenn Sie Einnahmen und Ausgaben regelmäßig prüfen, erkennen Sie Verschiebungen früh und bilden konsequent Rücklagen.
Wenn Sie diese vier Ströme kennen, treffen Sie Entscheidungen vorausschauend ‒ ob über Neueinstellungen, Investitionen oder Ausschüttungen. Der Cashflow-Quadrant macht sichtbar, was im Kanzleikonto verborgen bleibt: nicht nur, was verdient wurde, sondern wann Geld tatsächlich verfügbar ist. Es beantwortet die Frage: Wann brauche ich wie viel Geld wofür?
Checkliste / In sechs Schritten zum unternehmerischen Denken |
1. Einnahmen planen
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2. Kosten trennen
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3. Rücklagen bilden
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4. Cashflow sichtbar machen
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5. Verantwortung verteilen
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6. Entwicklung messen
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PRAXISTIPP | „Mehr Umsatz“ ist nicht „mehr Cash“. Wenn das sichtbar wird und Sie trotzdem planbar Rücklagen aufbauen, sind Sie im B-Modus angekommen. |
Der Denkwechsel: Vom Reagieren zum Steuern
Die Umstellung von „“ auf „B“ passiert in Ihrem Denken, weniger mit dem Taschenrechner. Fragen Sie nicht „Wie viel bleibt mir?“. Fragen Sie als Unternehmer: „Was braucht mein System, um stabil zu wachsen?“
Kanzleien im B-Modus etablieren Routinen:
- Liquiditätsplanung ist fester Teil der Monatsbesprechung.
- Ausgaben werden auf Nutzen geprüft, nicht auf Gewohnheit.
- Rücklagen stehen, bevor Gewinne verteilt werden.
- Kennzahlen (Einnahmen, Ausgaben, Investitionen, Rücklagen) werden regelmäßig betrachtet.
Das Ergebnis: Es gibt keine überraschende Steuerforderungen oder Ausgaben. Ihre Entscheidungen basieren auf einer durchdachten Strategie, nicht allein auf Ihrem Kontostand.
Beachten Sie | Der Cashflow-Quadrant ersetzt weder eine genaue Buchführung noch eine Steuerberatung. Er zeigt, wo Geld fließt ‒ nicht warum. Sein Ziel ist Stabilität zu schaffen, nicht den Gewinn zu maximieren.
Was ergänzend wichtig ist
Darauf kommt es außerdem an:
- Forderungsmanagement: Steuern Sie Außenstände und Zahlungsziele (sonst bleibt der „geplante“ Cashflow aus).
- Steuerkalender: Terminieren Sie Voraus- und Nachzahlungen (Monat/Quartal/Jahr).
- Budget & Szenarien: Vergleichen Sie Soll/Ist; „Was-wäre-wenn?“ (Umsatz -10 %, Neueinstellung, größere Investition).
- Finanzierungsbedarf: Finanzieren Sie größere Investitionen auf Raten statt sie aus laufender Liquidität zu ziehen.
- Regelmäßige Reviews: Behalten Sie den Monat (Cash) und das Quartal (BWA/Steuern) im Blick ‒ beides zusammen führt zu soliden Entscheidungen.
So wird der Cashflow-Quadrant zum Steuerungsbild, die Zahlen aus BWA und Steuerplanung liefern die Begründung.
FAZIT | Liquidität ist planbar ‒ und befreiend. Liquidität ist kein Zufall. Sie entsteht, wenn Zahlen regelmäßig beobachtet und Entscheidungen bewusst getroffen werden. Der Cashflow-Quadrant liefert dafür eine einfache Denkstruktur: Er zeigt, wo Sie mit Ihrer Kanzlei stehen ‒ und wie Sie den Sprung vom Selbständigen zum Unternehmer schaffen. Wer Liquidität plant, plant Freiheit. Und wenn Sie Ihr System steuern, gewinnen Sie Zeit für das Wesentliche: Mandate, Menschen, Entwicklung. |